Zeitanzeige – so in etwa genau

Schlüchtern: 125 Jahre Kirchturmuhr in Wallroth

125 Jahre Kirchturmuhr in Wallroth. - Fotos: Walter Dörr


Mittwoch, 22.05.2024
von WALTER DÖRR

SCHLÜCHTERN - Seit 1481 – die Weihe erfolgte durch den Würzburger Weihbischof Georg Friedrich von Nicopolis am 29. Mai 1481 - gibt es in Wallroth eine evangelische Kirche. Ein klassizistischer Bau, 19 Meter lang und mit einem 22 Meter hohen Turm. In dem geschieferten Turm hängen drei Glocken, die seit Dezember 2002 hochoben sicher in einem eichenen Glockenstuhl installiert sind. Früher mussten sie von Läutejungen durch das Ziehen von langen Seilen betätigt werden, seit 1964 geschieht das automatisch und elektrisch.

Seit 125 Jahren zeigt die Kirchturmuhr den Bürgern im Dorf mit goldenen Zeigern auf einem blau-rot-schwarzen Ziffernblatt ohne Zahlen und nur mit goldenen Dreiecken die Zeit an. So in etwa, denn die rein mechanische Uhr nimmt sich eine Toleranz von wenigen Minuten pro Woche. Wie es bei Uhren vor dem Digitalzeitalter üblich war, muss die Kirchturmuhr, die ganz ohne Strom funktioniert, nach wie vor aufgezogen werden. Klar, das gestaltet sich etwas aufwendiger als bei dem Rädchen einer Armbanduhr.

Über 60 Jahre kletterte Küster Adam Lotz auf den Dachboden der Kirche und ging zum Turm, um jeweils eine überdimensionale Kurbel an die Mechanik anzusetzen und das Uhrwerk aufzuziehen. Sein Sohn Frank führt dieses Amt weiter aus. Dank großzügiger Spenden konnte die Uhr im Rahmen einer Kirchenrenovierung 2009/10 komplett überholt werden. Dabei wurde auch das Schlagwerk der Uhr an der großen Glocke erneuert. Um die Uhrzeit zu erfahren, muss man nicht unbedingt zum Kirchturm schauen, zur halben und vollen Stunde schlägt der Hammer gut hörbar.

Was die Stunde schlägt


Früher nutzten die Bauern „diesen Service“ auf dem Feld und wussten so, was die Stunde geschlagen hat. Das historische Zeitinstrument konnte beim Jubiläum an Pfingsten direkt von den Kindern besucht werden. Und was für „die Aufzieher“ Lotz täglich und normal ist, war für die Kids richtig aufregend. Der Gang auf einem schmalen Bohlengang am Dachboten führte nämlich an riesigen Eichenbalken am Fußboden vorbei. Auch konnte man das Balkengewirr des Daches sehen – nur mäßig durch die Sonneneinstrahlung durch kleine Dachfenster beleuchtet. Vorort erläuterte Pfarrer Eisenbach die Funktionsweise der Kirchturmuhr. Während draußen das schöne 1966 erneuerte Ziffernblatt zu sehen ist, ist im Turm das eigentliche Herzstück der Uhr - in einem Schrank.

Das filigrane Uhrwerk mit goldfarbenen tickenden Rädern imponierte den Kids. Computergesteuerte Automatik oder Digitalanzeigen Fehlanzeige. Und die riesige Kurbel zum Aufziehen und die Gewichte in einem hölzernen Verschlag bis zur Turmspitze natürlich auch. Ganz Mutige konnten auf einer Aluleiter einen Blick zu den Glocken wagen. Drei Glocken hat die Kirche Wallroth, die zu unterschiedlichen Anlässen ferngesteuert betätigt werden. Auf die große Glocke (75 Zentimeter hoch, Durchmesser 75 Zentimeter, darin hängt ein 80 Zentimeter langer Klöppel, 300 Kilogramm schwer) schlägt der Uhrhammer. Für die Kirchengemeinde ist die Uhr jedoch mehr als nur ein historisches Zeitinstrument, Sie ist Teil der Verkündigung des Evangeliums.

"Ein jegliches hat seine Zeit..."


 „Ein jegliches hat seine Zeit und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde" (Prediger 3,1), sagte Pfarrer Eisenbach. Aus der Vergangenheit solle man lernen, aus der Geschichte Gottes mit den Menschen, und auf die Zukunft vertrauen und hoffen, die Gott bereitet. In der Gegenwart verantwortungsvoll vor Gott leben, denn „meine Zeit steht in deinen Händen“ (Psalm 31.16). Den Jubiläumsgottesdienst am Pfingstsonntag gestaltete das Pfarrerehepaar Marie und Stefan Eisenbach. Die Gemeinde feierte das Wandelabendmahl. An einem originalen alten Ziffernblatt einer Turmuhr aus Kressenbach der Kirchengemeinde am Landrücken wurden Fürbitten und Dankgebete gesammelt.

Die Predigt hatte einen besonderen Modus. Wie ein Pendel wechselte sich das Pfarrerehepaar ab, sodass die Predigt zwischen Ambo und Kanzel hin und herschwang. Dabei gingen die Pfarrer besonders darauf ein, welche Zeiten die Uhr bereits erlebt hat. Und dass es bei der Uhr, die mit einer Toleranz von mehreren Minuten läuft, gar nicht so sehr auf das sekundengenaue Gehen ankommt, sondern vielmehr auf ihre Botschaft: "Meine Zeit steht in deinen Händen!" (Psalm 31,16). Ein besonderer Teil des Kinderprogrammes war die Fertigung einer Uhr mit originalgetreuem Kirchturmziffernblatt. Im Garten des ehemaligen Pfarrhauses fand der gesellige Teil des Festes statt, das gemeinsam vom Ortsbeirat, der Interessengemeinschaft, des Gospelchores „New Spirit“, des Wallrother Carneval Club „Die Wellblooe“ und der evangelischen Kirchengemeinde am Landrücken Kinzigtal veranstaltet wurde. 

Hier war für das leibliche Wohl bestens gesorgt – von Grillspezialitäten bis zu selbst gebackenen Kuchen. Bei den Getränken war die Bowle der Renner – kein Wunder bei einem so sonnigwarmen Tag.

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