"Können Bevölkerung nicht mehr adäquat mit Medikamenten versorgen"

Streik am 27. und 28. Juni: Sinntaler Apotheker Marc Brauer über die Gründe für den Unmut

Wie auch seine Kolleginnen und Kollegen aus den benachbarten Kommunen übt Marc Brauer von der Sterbfritzer Einhorn-Apotheke scharfe Kritik am Gesetzesentwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach. - Foto: Bensing & Reith


Mittwoch, 26.06.2024

SINNTAL / MKK / HESSEN - Unter den Apothekern herrscht großer Unmut. Grund dafür ist das geplante Reformgesetz von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. „Dieser Entwurf schwächt die bisherigen Strukturen noch weiter“, sagt Marc Brauer, der seit Anfang des Jahres die Einhorn-Apotheke im Sinntaler Ortsteil Sterbfritz führt.

Um auf die prekäre Situation aufmerksam zu machen, schließt er wie viele seiner Kollegen am Donnerstag, 27. Juni, und Freitag, 28. Juni, seine Apotheke und nimmt an der Großkundgebung des Hessischen Apothekerverbandes in Frankfurt teil.

„Wenn das Reformgesetz so durchgesetzt wird“, fürchtet Brauer, „können wir die Bevölkerung nicht mehr adäquat mit Medikamenten versorgen.“ Anfang des Jahres übernahm der 31-Jährige die Einhorn-Apotheke im Sinntaler Ortsteil Sterbfritz. Der Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeitenden, aber auch den Patientinnen und Patienten in der Region ist er sich durchaus bewusst: „Wir wollen weiterhin eine wohnortnahe Arzneimittelversorgung gewährleisten und gleichzeitig für sichere Arbeitsplätze sorgen.“

"Viele Sachen darf nur ein Apotheker machen"


Der Entwurf des Gesundheitsministers sieht einige gravierende Änderungen vor: Bisher ist es Vorschrift, dass während der gesamten Öffnungszeit ein Apotheker mit absolviertem Pharmazie-Studium anwesend sein muss. Diese Vorgaben sollen nun aufgelockert werden, sodass künftig nur noch eine Anwesenheitspflicht von acht Stunden pro Woche für einen Apotheker besteht. Was im ersten Moment sinnvoll klingt, hat bei genauerer Betrachtung verheerende Folgen: „Viele Sachen darf nur ein Apotheker machen“, erklärt Marc Brauer. Darunter fallen die Kontrolle und Freigabe von Individualrezepturen, die Belieferung von Medikamenten für Privatpatienten oder pharmazeutische Medikationsanalysen.

Es dürften ohne Apotheker auch keine Betäubungsmittel (starke Schmerzmittel) abgegeben werden. Dies wäre besonders für Schmerzpatienten und die Palliativversorgung ein gravierender Einschnitt. Diese Leistungen würden dann unter Umständen nur noch einmal in der Woche angeboten werden können. „Dadurch hätten wir nicht ausreichend qualifiziertes Personal, was im Gesundheitsbereich definitiv nicht sein sollte“, stellt Brauer fest.

"Wir werden hierbei gegeneinander ausgespielt"


Das Honorar der Apotheken besteht zu einem wesentlichen Anteil aus einem Festbetrag, der die laufenden Kosten abdecken soll. Dieser Festbetrag wurde seit nunmehr 20 Jahren nicht mehr angepasst, trotz der zwischenzeitlich immens gestiegenen Kosten. Nun soll dieses einheitliche Modell so angepasst werden, dass es zu einer Umverteilung zulasten der Stadtapotheken und zugunsten der Apotheken auf dem Land kommt. Marc Brauer sieht das kritisch: „Wir werden hierbei gegeneinander ausgespielt.“ Das neue Preismodell wäre zudem ein großes finanzielles Risiko: „Jede Apotheke tritt für die Medikamente in Vorkasse, die Krankenkassen zahlen erst einige Wochen nach Einlösung des Rezeptes.“ Das führe dazu, dass vor allem teurere und innovative Arzneimittel für Patienten nur schwer zugänglich seien.

Mit diesen Maßnahmen sollte die Schließung weiterer Apotheken verhindert werden, denn seit Jahren geht deren Zahl in Deutschland zurück. Während es 2001 noch etwa 21.500 Standorte gab, waren es Ende 2023 nur noch knapp über 17.000 Apotheken. Europaweit gibt es im Schnitt 32 Apotheken auf 100.000 Bürgerinnen und Bürger, während es in Deutschland lediglich 22 sind. Dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, sieht auch Marc Brauer so: „Es muss konstruktive Gespräche mit dem Bundesministerium für Gesundheit geben, um proaktiv auf eine Änderung des Referentenentwurfs zum Wohle der Patienten hinzuwirken.“

Ebenfalls am Streik beteiligen sich die Löwen-Apotheke in Sinntal, die Lotichius- sowie die Bergwinkel-Apotheke in Schlüchtern, die Brüder-Grimm-Apotheke in Steinau, die Kalbach Apotheke in Mittelkalbach, die Coestersche Apotheke in Neuhof sowie die Marien Apotheke in Flieden. Die Coestersche Apotheke in Neuhof übernimmt den Notdienst am 27. Juni, die Schlüchterner Rathaus Apotheke wird am 28. Juni dringende Fälle durch die Notdienstklappe versorgen. Am 27. Juni ist die Rathaus Apotheke ebenfalls geschlossen. (red)

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