Zoll und Tierschutz sei Dank: Wie es nach der Welpenrettung weiterging
Sonntag, 15.12.2024
RODGAU / ASCHAFFENBURG / HANAU - Eine Zollkontrolle an der A3 in Hessen, weit weg von der deutschen Außengrenze, entwickelte sich Anfang September zu einer unerwarteten, aber spektakulären Rettungsaktion.
Sechs blutjunge Golden Retriever-Welpen fanden sich unversehens in den überregionalen Medien wieder, denn eine Zollstreife auf der Autobahn hatte sie bei einer zollrechtlichen Kontrolle eines osteuropäischen Lieferwagens aufgefunden – in erbärmlichem Zustand.
Wir sind den süßen Welpen auf der Spur geblieben und haben gute Nachrichten: 100 Tage nach der Sicherstellung freuen sich die drei Junghündinnen und die drei Rüden über ihr neues Leben bei glücklichen Frauchen und Herrchen. Drei blieben im Bereich Aschaffenburg / Hanau, ein Welpe zog in den Bereich Vogelsberg / Schwalm. Dem Zoll und dem Tierschutz sei Dank!
Rückblick: Freitag, 6. September
„Es war zunächst eine ganz normale Fahrzeug-Routinekontrolle, die wir bei Grenzbezug auch im Inland durchführen können“, sagt der erfahrene Zollhauptsekretär Leon J. „Das von uns auf der A3 im fließenden Verkehr festgestellte Lieferfahrzeug hatte osteuropäische Kennzeichen, so dass der Grenzbezug gegeben war.“
Der Sprinter wurde auf die Raststätte Weiskirchen (Rodgau, Landkreis Offenbach) gelotst und dort einer Kontrolle unterzogen. Als sich die Türen öffnen, trauen Leon J. und seine Kollegen ihren Augen und vor allem ihrer Nase nicht, denn es schlägt ihnen ein intensiver Fäkaliengestank entgegen. „Wie die Insassen das ausgehalten haben, ist mir ein Rätsel“, sagt der an sich hartgesottene Zollbeamte im Interview. Die Herkunft der Ausdünstungen ist schnell klar: in einer einzigen, viel zu engen Box befinden sich sechs kleine Welpen, überzogen von Urin, Kot und mit Flöhen besiedelt.
"Wir waren sprachlos"
„Wir stoßen immer mal wieder auf illegale Tiertransporte, aber wenn man die Tiere dann in einem solchen Zustand und wie in diesem Fall ohne jedes Wasser und Futter im Fahrzeug nach einem mutmaßlich unendlich langen Transport auffindet, ist man wirklich sprachlos.“ Leon J. ist seit 2012 Zollbeamter, seit 2015 versieht er in verschiedenen Zoll-Kontrolleinheiten Dienst – da erlebt man naturgemäß so einiges. Aktuell gehört er mit der „Kontrolleinheit Verkehrswege“ und Dienstsitz in Frankfurt zum Hauptzollamt Darmstadt.
Der Zollhauptsekretär ist
auch Wochen nach dem Vorfall noch bewegt: „Man fragt sich immer wieder,
was Menschen nur veranlassen mag, so entwürdigend mit diesen
unschuldigen Wesen umzugehen. Das ist für mich einfach unbegreiflich.“
Das
Ergebnis der Kontrolle ist schnell zusammengefasst: für die Jungtiere
lagen keinerlei Papiere vor, so dass durch den Zoll das zuständigen
Veterinäramt hinzugezogen wurde.
Dieses übergab die Tiere in die
Obhut des Tierheimes in Aschaffenburg. Immerhin: der beschuldigte
Fahrzeugführer war dahingehend kooperativ und verzichtete auf jeden
Widerspruch.
Erfolgreiches Aufpäppeln in Aschaffenburg
Zum
Glück sah sich das Aschaffenburger Tierheim in der Lage, die sechs
Welpen gemeinsam aufzunehmen, so dass ihnen nach geschätzten acht bis
neun Lebenswochen und der damit zu frühen Trennung vom Muttertier ein
weiteres Trennungserlebnis erspart blieb. Eva Orschler arbeitet als
Tierpflegerin seit 2018 im Hunde- und Kleintierbereich des
Tierschutzvereins Aschaffenburg.
„Wir haben die unterernährten Welpen auf Ersuchen des Veterinäramtes übernommen. Es lagen keine Papiere zu Tollwut- und Impfschutz vor, so dass wir sie für sechseinhalb Wochen in Quarantäne nehmen mussten – eine wie wir wissen sehr triste Phase für die Jungtiere, weil sie sich nur im Innenbereich aufhalten dürfen“, bedauert Eva Orschler die in diesem Fall unvermeidliche Abschottung. Keine Spaziergänge, keine Sozialisation an menschliche Haushalte, was eigentlich in dieser Phase so wichtig wäre.
„Wir freuen uns nun sehr für die Zwerge, dass die Quarantäne endlich vorüber ist und wir sie an die Adoptierenden übergeben können“, sagte Orschler, als die Zwerge im Oktober auszogen, bestens aufgepäppelt, geimpft und gechipt. „Die Kleinen haben sich hier vorbildlich verhalten, waren ruhig und sehr entspannt – einfach zuckersüß, alle unsere Mitarbeiter waren begeistert und verliebt“, lacht Orschler. „Nur beim Platz am Futternapf haben sie sich schon energisch behauptet“, weiß sie zu berichten. Kein Wunder!
Die Vermittlung der Welpen gestaltete sich nach der
medialen Berichterstattung, die am Tag nach der Sicherstellung begann,
als Selbstläufer. „Wir verzeichneten innerhalb kürzester Zeit hunderte
Bewerbungen, selbst aus Dänemark, Österreich und der Schweiz, aber die
von uns sorgfältig ausgesuchten Aufnehmenden liegen im Umkreis von
maximal 150 Kilometern um Aschaffenburg.“ Eva Orschler freut sich, dass
die Öffentlichkeit durch die Berichterstattung mehr für die Problematik
des illegalen Welpenhandels sensibilisiert wird.
Von Bella bis Zora
Die
kleinen Helden haben nach der Vermittlung in ihren neuen Familien
natürlich Namen bekommen: Bella, Charlie, Cody, Emma, Paco und Zora.
Lebenslustige Wesen mit einer ganz normalen Welpen- und nun bereits
Junghunde-Entwicklung. Die Adoptiv-Frauchen und -Herrchen werden
vermutlich künftig den 6. September mit ihren Goldies als besonderen Tag
im Kalender stehen haben, genau wie die an der Kontrolle beteiligten
Beamten vom Zoll.
Einem der „Welpenretter“, Zollhauptsekretär Leon J., soll das Schlusswort gehören: „Ich bin selbst auch mit Hunden groß geworden und hätte gerne einen der Welpen aufgenommen, das ist mir aus zeitlichen Gründen aber leider nicht möglich gewesen. Umso mehr freut man sich als Beteiligter einer solchen Kontrolle, die quasi zu einer Rettungsaktion wurde, wenn man hört, dass es den sechs Zwergen nun so gut geht. Da spreche ich ganz sicher auch für alle anderen Kollegen!“ (goa)