Konjunktur-Umfrage der IHK: Regionale Wirtschaft in der Krise

Mittwoch, 22.01.2025
MAIN-KINZIG-KREIS - Die Konjunktur-Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern aus dem Winter 2024/2025 offenbart die weiterhin schlechte Stimmung der regionalen Wirtschaft.
Die Anzahl der Pessimisten unter den befragten Unternehmen ist zwar gegenüber der vorangegangenen Umfrage vom Herbst 2024 leicht gesunken, aber dafür klagen mehr Unternehmen über Geldsorgen. Vor allem schwindet das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Deutschland weiter: drei Viertel aller Unternehmen – und damit so viele wie nie zuvor – sehen in den hiesigen Rahmenbedingungen ein Risiko für ihr Unternehmen. Die Konsequenz: zum achten Mal hintereinander fehlt vielen Unternehmen die Sicherheit und die Bereitschaft zum Investieren.
Die Einschätzung der aktuellen wirtschaftlichen Lage – ist über alle Branchen hinweg als Saldo aus positiven und negativen Bewertungen weiter negativ, aber immerhin auf -8,1 gestiegen, nach -12,7 im Herbst 2024. Fast 18 Prozent der befragten Unternehmen bewerten ihre wirtschaftliche Lage inzwischen als gut, was einen Anstieg um knapp sechs Prozentpunkten entspricht. Gleichzeitig sank der Anteil derjenigen, die ihre wirtschaftliche Situation als schlecht einschätzen, auf 25,7 Prozent – also immer noch jedes vierte Unternehmen. Der Blick in die Zukunft fällt für die Unternehmen insgesamt nur wenig besser aus als vor drei Monaten: Der aktuelle Saldo für die erwartete Geschäftsentwicklung steigt zwar um zwei Prozentpunkte an, bleibt mit -13,4 jedoch sehr negativ. Der Anteil der Unternehmen, die mit Sorge in die Zukunft blicken, ist sogar von 26,8 auf 29,5 Prozent gestiegen.
Das liegt auch an der Finanzlage: Im Herbst bewerteten fast zwei Drittel (65,7 Prozent) der Unternehmen ihre Finanzlage als unproblematisch – drei Monate später sind es nur noch die Hälfte (54,1 Prozent). Vor allem zunehmende Forderungsausfälle (21,9 Prozent) und gestiegene Kosten für Fremdkapital (13 Prozent) verzehren das Eigenkapital bei jedem vierten Unternehmen (24,7 Prozent).
Industrie, Handel, Gast- und Verkehrsgewerbe pessimistisch
Ein ähnlich negatives Bild zeigt sich in vielen Branchen. Die Industrie, die wichtigste Branche des Main-Kinzig-Kreises, verzeichnet zwar eine Verbesserung um 12,3 Prozentpunkte, bleibt aber weiterhin im negativen Bereich. Der Saldo liegt aktuell bei -17,6 – trotz einer leichten Erholung steckt die Branche noch immer in den roten Zahlen. Auch die Erwartungen für die Zukunft sind skeptisch: Der Saldo der zukünftigen Geschäftslage verbesserte sich zwar leicht auf -11,6, doch 30,8 Prozent der Industrieunternehmen (vorher 26,3 Prozent) blicken weiterhin pessimistisch in die Zukunft.
Besonders alarmierend ist die Lage im Gastgewerbe, das einen Saldo von -50 (vorher 0,0) aufweist. Auch die Zukunftsaussichten bleiben düster: Der Saldo der erwarteten Geschäftslage liegt bei -25,0. Unverändert negativ im Vergleich zum Herbst 2024 zeigt sich die Situation im Verkehrsgewerbe, das bei der aktuellen Geschäftslage einen Saldo von -33,4 verzeichnet. Diese pessimistischen Einschätzungen setzen sich auch in den Zukunftserwartungen fort, wo ebenfalls ein Saldo von -33,4 zu verzeichnen ist. Besonders beunruhigend ist, dass zwei Drittel der Unternehmen im Verkehrssektor ihre zukünftige Geschäftslage als ungünstig bewerten.
Etwas erfreulicher ist die Entwicklung im Baugewerbe, das wieder positive Zahlen vorweisen kann. Der Saldo der aktuellen wirtschaftlichen Lage stieg von 0,0 auf 33,3. Der Blick in die Zukunft bleibt jedoch unverändert, mit einem Saldo von 0,0. Auch die Dienstleistungsbranche zeigt einen positiven Trend bei der aktuellen Geschäftslage. Der Saldo verbesserte sich hier um 7,4 Prozentpunkte und liegt nun bei +22,5. Doch die Zukunftsaussichten der Dienstleister bleiben von Unsicherheiten geprägt: Der Saldo der zukünftigen Geschäftslage sank auf -9,7 (vorher -6,3), und jedes vierte Unternehmen schätzt seine künftige Situation weiterhin als schlecht ein.
Der IHK-Klimaindikator, der die Einschätzungen zur aktuellen Lage und den Erwartungen der Unternehmen kombiniert, zeigt mit einem Wert von 89,2 ebenfalls eine leichte Verbesserung. Er stieg um 3,4 Punkte im Vergleich zur jüngsten Umfrage, bleibt jedoch unter der Schwelle von 100, die für eine ausgewogene Gesamteinschätzung steht.
Weiter kaum Bereitschaft zu Investitionen
Mit Blick auf die Investitionsneigung ist keine Verbesserung der Wirtschaftslage zu erwarten: Der Saldo, also die Differenz zwischen den 21,5 Prozent der Unternehmen, die mehr und den 38,9 Prozent, die weniger investieren wollen, beträgt aktuell -17,4. Damit liegt er zwar über dem Wert der Herbst-Umfrage (-28,9), bleibt aber weiterhin negativ – und das bereits zum achten Mal in Folge.
„Wir machen diese Umfrage seit 20 Jahren. In der Wirtschaftskrise 2009/2010 war die Investitionsneigung in zwei Umfragen hintereinander negativ, in der Pandemie 2020 dreimal. Ansonsten war die Investitionsneigung immer positiv. Dass sie es jetzt seit Herbst 2022 dauerhaft nicht mehr ist, ist ein Alarmsignal für den Standort Main-Kinzig und für Deutschland“, betont Quidde und verweist darauf, dass sich auch der Saldo der Beschäftigungsprognose von -11 auf -15 verschlechtert hat.
Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den Arbeitslosenzahlen wider: Im Dezember 2024 waren im Main-Kinzig-Kreis 13.376 Menschen arbeitslos gemeldet. Das sind 1.083 mehr als noch ein Jahr zuvor. Gleichzeitig sank die Zahl der offenen Stellen auf 2.597.
Neuer Tiefpunkt im Vertrauen in den Wirtschaftsstandort
Bereits in der jüngsten Konjunktur-Umfrage bewerteten fast zwei Drittel der befragten Unternehmen die Rahmenbedingungen als ihr größtes Geschäftsrisiko – ein Rekordwert. Doch nun wurde dieser traurige Höchststand noch übertroffen: Fast drei Viertel (73,0 Prozent) der Unternehmen sehen die Rahmenbedingungen als ihr größtes Risiko. „Die Umfrage bestätigt, was wir aus unseren Gesprächen mit den Unternehmen immer wieder hören: große Sorgen sowie oft auch Wut und Verzweiflung“, berichtet IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Gunther Quidde: „Die Unternehmen fordern dringend eine Kurskorrektur der neuen Bundesregierung zu einer wirtschaftsfreundlicheren Politik. So wie in den vergangenen Jahren kann und darf es nicht weitergehen“, meint Quidde.
Ein weiteres Alarmsignal: Fast alle Risikofaktoren haben im Vergleich zur letzten Umfrage im Herbst zugenommen. Die Inlandsnachfrage sehen nun 64,2 Prozent der Unternehmen als Risiko (zuvor 62,7 Prozent), die Arbeitskosten werden von 54,1 Prozent der Betriebe als problematisch eingestuft (zuvor 47,2 Prozent), und das Risiko durch Energie- und Rohstoffpreise ist auf 53,4 Prozent gestiegen (zuvor 45,1 Prozent). Auch die weniger bedrohlichen Risiken wie die Auslandsnachfrage (von 18,3 auf 23 Prozent) und die Finanzierung (von 13,4 auf 18,2 Prozent) haben erheblich an Bedeutung gewonnen. Lediglich beim Fachkräftemangel zeigt sich eine leichte Entspannung: Dieser wird aktuell von 48,0 Prozent der Unternehmen als Risiko wahrgenommen, gegenüber 54,2 Prozent in der letzten Umfrage.
„Nachlassender Fachkräftemangel ist die Kehrseite steigender Arbeitslosigkeit. Wenn die neue Bundesregierung nicht massiv gegensteuert, wird sich diese schlechte Entwicklung fortsetzen oder noch verschärfen“, fürchtet Quidde. (red)