Ku(h)rioses Zusammenleben

Schlüchtern: Wildschwein und Kühe bilden in Vollmerz eine Lebensgemeinschaft

Ein Wildschwein der besonderen Art überrascht und verzückt Wanderer und Mountainbiker, die auf Degenfelder Flurwegen unterwegs sind. - Fotos: Walter Dörr


Dienstag, 29.04.2025
von WALTER DÖRR

SCHLÜCHTERN - Wenn von Wildschweinen die Rede ist, dann geht es meist nicht um das Tier, sondern, dass Schwarzkittel bei nächtlichen Fressattacken gewütet und aus Wiesen Ackerland gemacht haben. Solche Wiesen sind auch schon mal Fußballfelder von Sportvereinen.

Ein Wildschwein der besonderen Art überrascht und verzückt Wanderer und Mountainbiker, die auf Degenfelder Flurwegen unterwegs sind. Grasende Kühe oder Schafe sind in der ländlichen Gegend normal, aber wenn ein kleiner Wildschweinfrischling friedlich mit Mutterkühen auf einer Wiese grast, dann muss man schon zweimal hinsehen. In Vollmerz ist das seit einem Dreivierteljahr normal.

Eine neue Familie gefunden


„Eberhard“ wurde das Tier mittlerweile von Zaungästen getauft – wenngleich noch nicht feststeht, ob das Wildschwein mal ein Eber oder eine Bache wird – also männlich oder weiblich ist. Am 13. August vergangenen Jahres war das Wildschweinbaby einfach da und will nicht mehr weg. Zwar sollen die Kühe und Kälber der fünfköpfigen Herde erst einmal mit Abstand geguckt haben, erzählt die Landwirtin Klaudia Ortis vom Durbeshof in Vollmerz, doch das kleine nervige und anhängliche Etwas setzte sich durch und akzeptierte seinerseits die Herde als seine neue Familie. 

Es wird angenommen, dass die Mutter beim Überqueren der vielbefahrenen Bahnstrecke Flieden-Gemünden von einem Güterzug erfasst und getötet wurde, denn Überreste einer Bache wurden gefunden. Dem kleinen Eberhard passierte nichts – und machte sich wohl auf, um eine neue schützende Rotte zu finden. Unterhalb des Neubergs liegt die große Kuh-Weide, die vom Grennelsbach durchquert wird, die jetzt auch das Outdoor-Zuhause des Wildschweinfrischlings ist.

Grasende Kühe oder Schafe sind in der ländlichen Gegend normal, aber wenn ein kleiner Wildschweinfrischling friedlich mit Mutterkühen auf einer Wiese grast, dann muss man schon zweimal hinsehen.
Grasende Kühe oder Schafe sind in der ländlichen Gegend normal, aber wenn ein kleiner Wildschweinfrischling friedlich mit Mutterkühen auf einer Wiese grast, dann muss man schon zweimal hinsehen.

Wildschwein-Frischling wohnt bei Kühen


Ob es an einem ausgeprägten Sozialverhalten der Kühe liegt, dass sie den Neuling ungehindert unter ihrem Körper und selbst zwischen den – aus seiner Sicht – riesigen Beinen wuseln lassen, ist nicht bekannt. Ebenso, ob die Kühe das kleine Borstenvieh als ein behindertes Exemplar ihrerseits ansehen und beschützen. Anzusehen ist es das Miteinander richtig süß. Eberhard weicht nicht ab und entfernt sich höchstens einige Meter von der Herde. Und wenn er sich einmal hingelegt hat, erhält er von einer Kuh einen Schubser zum Aufstehen und Weiterziehen. In Reih und Glied, nebeneinander oder hintereinander, grasen die Kühe und das Wildschwein.

Das satte Grün scheint Eberhard zu schmecken. Wildschweine sind Allesfresser und vertilgen essbare Wurzeln, Würmern, Engerlingen, Mäusen, Schnecken oder Pilze (deshalb wühlen sie auf Wiesen und verursachen so erhebliche Wildschäden), aber auch Blätter, Triebe und Früchte von Holzgewächsen, Kräuter und Gräser.

Eberhard fühlt sich wohl


Das Grunzen des Wildschweins mit dem Schnaufen der Kühe beim Grasen ist auch akustisch passend. Wie es mit Eberhard weitergeht, muss man abwarten. Er könnte praktisch jederzeit die Kuhherde verlassen und unter dem unter Strom stehenden Weidezaum verlassen, um in seinen „normalen“ Waldungen zu ziehen. Anders könnte es werden, wenn Eberhard einmal ein Teenie ist. 

Wenn er eine Bache ist, könnte sie bereits nach acht bis zehn Monaten geschlechtsreif sein. Und da könnte es rein theoretisch mit einem liebestollen Eber zu einer Verpaarung und den daraus resultierenden Folgen kommen. Sollte Eberhard ein Keiler sein, wird er sich irgendwann in der Rauschzeit auf die Suche nach einer Wildschweindame machen. Die ungewöhnliche Kuh-Wildschwein-Gemeinschaft wird noch einige Zeit bestehen bleiben.

Unser Fotograf Walter Dörr hat die ungewöhnliche Paarhufer-Herde besucht.

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