Vergütung im hausärztlichen Bereich: Dr. Patricius Pilz prangert Missstand an
Freitag, 01.08.2025
von WALTER DÖRR
SINNTAL - Dr. Patricius Pilz, der im Sinntaler Ortsteil Sterbfritz die Arztpraxis Lebensbaum betreibt, besuchte den Sinntaler Bürgermeister Thomas Henfling, um auf einen untragbaren Zustand aufmerksam zu machen.
„Wer viel arbeitet, wird bestraft“, fasste der Landarzt die existenzbedrohende Reduzierung der Vergütung im hausärztlichen Bereich im 1. Quartal 2025 durch die Kassenärztliche Vereinigung Hessen zusammen.
Im ersten Quartal wurden nämlich durch die saisonal bedingte Erkältungswelle und einer damit verbundenen höheren Frequentierung der hausärztlichen Praxen durch die Patienten eine höhere Anzahl an ärztlichen Leistungen erbracht. Diese führten natürlich zu einer höheren Anforderung an ärztlichem Honorar, da ja auch mehr Patienten behandelt wurden. In der Praxis Lebensbaum in Sterbfritz wurden zum Beispiel mehr Hausbesuche, insbesondere durch erkrankte Patienten in der Häuslichkeit, sowie in den betreuten Pflegeheimen durchgeführt.
Die hausärztliche Versorgung wird nur quotiert vergütet
Dies verursachte in der Praxis einen hohen personellen Aufwand, in Form von steigenden Arbeitszeiten und genereller Mehrarbeit und Mehrkosten durch anfallende Nebenkosten der Besuchsleistungen. Wie Dr. Pilz erläuterte, stellen die Krankenkassen nur einen gewissen Betrag zur Deckung der hausärztlichen Versorgung zur Verfügung, was dazu führt, dass den Praxen, die viele Leistungen erbracht haben, um ihre Patienten adäquat zu versorgen, weniger Geld im Nachhinein vergütet wird – nach dem Motto: „Der Topf ist leer und dann gibt es nichts mehr“.
Bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen bezeichnet man dieses Phänomen als „quotierte Vergütung“ - ein schöneres Wort für keine Bezahlung. Zudem erfolgt die hausärztliche Vergütung erst vier Monate nach Ende des Quartals und dann mit einer Einbuße – für die Sterbfritzer Praxis im mittleren fünfstelligen Bereich durch die Quotierung.
"Ein Unding, das existenziell höchst bedrohlich ist"
„Ein Unding, das existenziell höchst bedrohlich ist“, so Dr. Pilz. Das ist also ein klares Signal, dass die hausärztliche Versorgung ein risikoreiches Tätigkeitsfeld ist, denn die Lohnkosten und Betriebskosten steigen stetig und können nicht ausgesetzt werden, nur weil die Kassenärztliche Vereinigung Hessen nicht die Vergütung ausschüttet, die definitiv vorab erbracht wurde. „Somit braucht sich niemand zu wundern, dass keiner mehr diesen Beruf ergreifen möchte, da der Hausarzt für das Risiko von höheren Patientenzahlen mit Honorareinbußen haftet“, sagt Dr. Pilz.
„Eigentlich hat ein Arzt das ganze Quartal umsonst gearbeitet und Personalkündigungen müssten eigentlich ausgesprochen werden. Was man aber auch nicht möchte und nicht einfach kann. Also wird aus privaten Mitteln das Loch in der Kasse gestopft, auch wenn diese Möglichkeiten endlich sind.“
Dass es das Phänomen der „quotierten Vergütung“ laut Kassenärztlicher Vereinigung Hessen ab dem 4. Quartal nicht mehr geben soll – dann gibt es das neue Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) – ist nicht tröstlich. Bis dorthin sind noch zwei Quartale, in denen wieder gleiches geschehen kann, sodass man sich fragen muss, wo das Geld plötzlich herkommen soll, das angeblich nicht zur Verfügung stand, um die erbrachten ärztlichen Leistungen zu bezahlen.
Eines steht fest: Die nächste Erkältungswelle im Winter 2025/2026 kommt bestimmt, mit vollen Praxen und dadurch mehr ärztlichen Leistungen. Verständnis zeigte Sinntals Bürgermeister Thomas Henfling für die untragbare Situation des Sterbfritzer Arztes.