Schlüchtern: Bekommt der Stadtteil Hutten wieder einen Dorfladen?
Montag, 22.09.2025
von WALTER DÖRR
SCHLÜCHTERN - Bekommt der Schlüchterner Stadtteil Hutten wieder einen Dorfladen?
Bei einer Informationsveranstaltung, zu der der Ortsbeirat und der Dorfverein Hutten in die Ausstellungshalle des Kaninchenzuchtvereins H 472 Hutten eingeladen hatten, stimmten alle anwesenden Bürger für die Weiterverfolgung des Projektes „Dorfladen Hutten 2.0“.
Zumindest diese Bürger unterstützen das Projekt, jetzt sollen noch die restlichen Huttener gefragt werden. Die stellvertretende Ortsvorsteherin Nicole Winhold begrüßte die Bürgerinnen und Bürger zu der Versammlung über ein wichtiges Thema, nämlich „wie geht es mit dem Dorfladen weiter?“
Was wollen die Huttener?
Die Leute müssten entscheiden und sich Gedanken über die Nahversorgung und das soziale Miteinander machen. Der am 10. Dezember 2023 gegründete Dorfverein Hutten stellte sich satzungsgemäß die Frage, wie es mit dem Dorfladen weitergeht. Dessen Schließung brachte neue Herausforderungen. Eine Projektgruppe aus dem Vorstand des Dorfvereins (1. Vorsitzende Freia Kreß, 2. Vorsitzender Erich Winhold, Schatzmeisterin Sabine Ochs, Schriftführerin Waltraud Müller und den Beisitzern Dr. Constantin von Brandenstein-Zeppelin, Manuela Staubach, Marco Blum und Petra Hild), zwei Mitgliedern des Ortsbeirates sowie Rainer Heinbuch und Nicole Winhold hatten seit Gründung 18 Projektsitzungen und Außentermine bei Dorfläden.
Durch die Unterstützung der Kommune gelte es, die finanziellen Mittel sinnvoll einzusetzen und Ideen zu finden. Als Referent war der Psychologe und Betriebswirt Volker Hahn, Geschäftsführer des Instituts für Nahversorgungs-Services in Seßach (Kreis Coburg), nach Hutten gekommen. Hahn hat bundesweit bereits über 120 Dorfläden geplant und realisiert. Er wolle nichts verkaufen, betonte Hahn gleich zu Beginn.
Viele Facetten der Nahversorgung
Facetten der
Nahversorgung zeigte er auf, wie einen Lebensmittelmarkt, Grundschule,
Post, Begegnungsstätte, Touristen-Info, Kinder- und Altenbetreuung,
Vereine/Freizeit, geistliche und ärztliche Versorgung, Wirtshaus oder
Kreditinstitut. Auf die Frage, wieviel Kilometer täglich in Deutschland
zum Einkaufen von Lebensmitteln gefahren werden, lagen die Versammelten
schief: 480 Millionen pro Tag sind es laut Hahn. Den vermeintlich
günstigen Einkauf in Discountern relativierte Hahn. Durch die
Globalisierung werde von nur noch fünf großen Lebensmittelketten groß
eingekauft und Preise bestimmt.
Dass der Markt den Preis regelt, stimme nicht mehr. Der Vergleich einer Muster-(Sonderangebots)-Einkaufsliste zeigte, dass ein Dorfladen nur unwesentlich teurer ist. Regionales liege zudem im Trend. So seien importierte Äpfel aus Afrika oder Chile mehrfach gespritzt und gekühlt gegenüber den Äpfeln von den Streuobstwiesen direkt in den Laden nur einen Euro teurer. Wenn das Angebot des Dorfladens attraktiv ist, gebe es Möglichkeiten.
Wichtig sei, zuerst zu ermitteln, was Hutten möchte. Voraussetzungen für erfolgreiche Nachbarschaftskonzepte sind zeitgemäße Betreibermodelle, starke Systempartner für unternehmerisch geführte Läden, Innovationskraft für die Entwicklung internetsbasierter Versorgungskonzepte und für die Entwicklung attraktiver Sortiments- und Dienstleistungsangebote, sowie die nachhaltige Mehrwertkommunikation. Verschiedene Organisationsmöglichkeiten zeigte Hahn auf, wie das Konzept von „Mein Markt 24“, das weitgehend ohne Personal auskommt und wo die Kunden – wie alle Huttener Bürger – ihren Einkauf selbst scannen und vom Konto bezahlen.
Moderne Technik spart Personalkosten
Bei
kleinen Kommunen (unter 1.000 Einwohner) funktioniere das. Die richtige
Rechtsform des Dorfladens zeigte Hahn auf. Gegenüber der Gesellschaft
bürgerlichen Rechts (GbR), wie der frühere Dorfladen in Hutten betrieben
wurde, bevorzugte der Referent aus Sicht der Haftung und eventueller
Nachschusspflicht eine Unternehmergesellschaft (UG, haftungsbeschränkte
Sonderform der GmbH, schon mit einem Euro Stammkapital zu gründen). Die
operative Geschäftsführung könne durch ehrenamtliche Personen er-folgen
und stille Teilhaber seien die Geldgeber/Bürger. Das Sortiment könne bei
100 Quadratmetern Ladenfläche aus 1.500 bis 2.000 Artikeln bestehen.
„Das Konzept, die Akzeptanz, die Leistung und der Preis müssen stimmen“, nannte Hahn als Voraussetzung für ein erfolgreiches Projekt. Anhand eines Fragebogens, der an alle Bürger verteilt werden, soll ermittelt werden, wieviel Bereitschaft in Hutten da ist. Es werde nicht über die Köpfe der Bürger entschieden. „Es gilt, nicht über Leute zu reden, sondern mit ihnen“, so Hahn. Zur finanziellen Seite verwies Hahn auf LEADER-Fördermöglichkeiten aus der Dorferneuerung und die Dorf- und Regionalentwicklung des Landes Hessen.
Förderungen des Landes nutzen
Thomas
Rau (für die Liegenschaften der Stadt Schlüchtern zuständig) sagte,
dass schon gute Ge-spräche geführt wurden. Es gelte, Mitstreiter zu
suchen und die Chance zu erkennen. Für die Stadt bot er die Förderung im
Rahmen der Dorfentwicklung an. Der Politik müsse man klar machen, dass
Hutten das Projekt will. Es gebe viele Fördermöglichkeiten, für die sich
die Stadt dann stark machen werde. Volker Hahn sagte, dass in Zeiten
von allgemeiner Politikverdrossenheit die Stadt Schlüchtern ein
positives Angebot mache.
Nach dem einstimmigen Votum der Versammelten, das Projekt „Dorfladen Hutten 2.0“ weiter zu verfolgen, soll der Fragebogen an die Bürger verteilt werden (Hybridbefragung) und weitere Versammlungen stattfinden.
Ehrung für Nicole Winhold
Bei der Informationsveranstaltung über einen möglichen neuen Dorfladen überraschte Thomas Rau (in der Finanzverwaltung der Stadt für die Liegenschaften zuständig) im Namen der Stadt Schlüchtern die stellvertretende Huttener Ortsvorsteherin Nicole Winhold. Sie hat zusammen mit Rainer Heinbuch seit der Schließung des bisherigen „Unser Laden“ im November das Projekt „Dorfladen Hutten 2.0“ federführend und sehr engagiert bearbeitet. Weitere Ehrenämter sind die Schatzmeisterin im Förderverein Huttener Schwimmbad und seit 2019 sehr aktiv in der Arbeitsgruppe des Kulturweges Hutten „Vom Landrücken in alle Himmelsrichtungen“.
Mit der Ehrung werde die ehrenamtliche Arbeit durch die Stadt Schlüchtern gewürdigt, so Thomas Rau.
















