Impuls von Stefan Buß: Die Psalmen – das Gebetbuch des Volkes Israel
Mittwoch, 22.10.2025
von STEFAN BUß
FULDA / MKK - Die Psalmen gehören zu den bekanntesten und zugleich tiefsten Texten der Bibel. Kaum ein anderes Buch wurde so oft gebetet, gesungen, ausgelegt und zitiert. Für Israel waren die Psalmen das Gebetbuch schlechthin – Worte, die Generationen getragen, ermutigt, getröstet und geformt haben. Und bis heute sind sie lebendig geblieben – in der Synagoge, in der Kirche und im persönlichen Gebet.
In den Psalmen findet sich die ganze Bandbreite menschlicher Erfahrungen: Jubel und Lobpreis: „Lobet den HERRN, denn er ist freundlich.“ Klage und Not: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Dankbarkeit: „Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Vertrauen: „Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“
Die Psalmen verschweigen nichts. Sie lassen Raum für Tränen und Zorn, für Freude und Hoffnung. Darin liegt ihre Kraft: Sie sind ehrlich. Wer betet, muss sich nicht verstellen.
Das Volk Israel hat die Psalmen im Tempel, in den Synagogen und in den Häusern gebetet. Sie waren Gemeinschaftsgebet und zugleich persönliche Zwiesprache mit Gott. In der Anbetung des Volkes: Feste wurden mit Psalmen gestaltet. In der Klage: Ganze Völkererfahrungen – Exil, Bedrohung, Niederlage – fanden Ausdruck. In der Hoffnung: Das Gebet Israels hielt fest am Gott des Bundes, auch wenn er fern zu sein schien.
Die Psalmen sind so zu einer „Schule des Gebets“ geworden: Sie lehren uns, wie wir mit Gott sprechen können – mit Ehrfurcht, aber auch mit Freiheit.
Auch Jesus hat die Psalmen gebetet. Am Kreuz ruft er mit Psalm 22: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Die ersten Christen übernahmen die Psalmen in ihren Gottesdiensten. Bis heute sind sie fester Bestandteil der Liturgie: in den Stundengebeten, in Liedern, in Predigten. Die Psalmen verbinden uns also mit Israel und mit der ganzen betenden Kirche durch die Jahrhunderte.
Was bedeuten die Psalmen heute?
Der Mensch darf mit all unseren Gefühlen vor Gott treten – nichts ist zu klein, nichts ist zu groß.
Die Psalmen helfen, Worte zu finden, wenn dem Menschen selbst die Sprache fehlt. Sie binden den Gläubigen ein in eine große Gemeinschaft: Wenn ich bete, bete ich nie allein.
Die Psalmen sind mehr als alte Texte. Sie sind lebendige Gebete, die Gott uns schenkt, damit wir ihn anrufen können – in Freude und in Not.
Lasst uns sie immer wieder zur Hand nehmen, beten, sprechen, singen. Denn in ihnen spiegelt sich unser Leben – und Gottes Treue leuchtet auf.