Neue Wege im Rettungsdienst

Wenn Notfallmedizin an Grenzen stößt: Neue Palliativ-Kooperation im Kreis

Informierten sich über das erfolgreiche Kooperationsprojekt (von links): Dr. Wolfgang Lenz, Manuel Wilhelm, Jan Schubert, Landrat Thorsten Stolz, Dr. Gerd Lautenschläger - Foto: Presse MKK/Frank Walzer


Freitag, 14.11.2025
von Redaktion Kinzig News

MAIN-KINZIG-KREIS - Immer wieder stehen Rettungskräfte im Einsatz vor einer schwierigen Entscheidung: Ein Patient ist nicht akut notfallmedizinisch behandlungsbedürftig, kann aber auch nicht allein bleiben – und möchte zugleich nicht mehr ins Krankenhaus, weil eine unheilbare Erkrankung weit fortgeschritten ist. Genau diese Lücke schließt seit rund einem Jahr eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Rettungsdienst im Main-Kinzig-Kreis und dem Palliativteam Hanau.

In solchen Situationen kann das Palliativteam um den Ärztlichen Leiter Jan Schubert kurzfristig übernehmen und eine bedarfsgerechte Betreuung im häuslichen Umfeld organisieren. „Die Palliativmedizin ist eigentlich keine notfallmedizinische Versorgung. Sie ist vielmehr eine aktive und ganzheitliche Behandlung von Patienten mit einer unheilbar fortschreitenden Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung“, erläutert Schubert. 

Entlastung für Familien und Rettungsdienst

Ziel sei es vor allem, Schmerzen und belastende Symptome zu lindern sowie psychische, soziale und spirituelle Bedürfnisse aufzufangen. Die neue Kooperation ermögliche es, „diese wichtige Entscheidungslücke zwischen Notfall- und Palliativmedizin zu füllen“.

Seit November 2024 können die Rettungswagen-Teams das Palliativteam direkt hinzuziehen. Für Dr. Manuel Wilhelm, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst im Main-Kinzig-Kreis, ist das ein Gewinn für alle Beteiligten: „Diese Kooperation ist eine spürbare Entlastung im System. (...) Viel wichtiger für alle ist aber, dass den Familien eine große Last von den Schultern genommen wird.“ Angehörige könnten Betroffene im vertrauten Umfeld begleiten und deren letzte Wünsche respektieren.

Positive Zwischenbilanz nach zehn Monaten

Auch Palliativmedizinerin Dr. Maria Haas-Weber betont die Bedeutung der schnellen Unterstützung: „Die Haupt- und Ehrenamtlichen aus der Palliativarbeit wissen, worauf es in solchen Situationen ankommt.“

Die Kooperation wurde von einem sechsköpfigen Projektteam über Monate vorbereitet und wird laufend begleitet. Die jüngsten Rückmeldungen fallen positiv aus. Besonders wertvoll ist die Möglichkeit einer „Akutübernahme“: Selbst wenn Patienten zuvor nicht beim Palliativteam angebunden waren, kann dieses kurzfristig einspringen – auch an Wochenenden oder Feiertagen. So lassen sich unnötige Krankenhauseinweisungen vermeiden, die für schwer kranke Menschen oft belastend sind.

In den ersten zehn Monaten unterstützte das Palliativteam rund hundertmal Rettungseinsätze. In etwa 50 Fällen konnten Patienten direkt zu Hause oder in Pflegeeinrichtungen in eine geregelte palliative Betreuung übergeben werden. Die weitere Versorgung erfolgt im Zusammenspiel von Angehörigen, Pflegediensten, Hausärzten und dem Palliativteam, das ein- bis zweimal pro Woche zusätzlich akut eingreift.

Landrat Thorsten Stolz würdigt das Engagement aller Beteiligten. „In den schwersten Momenten eines Lebens braucht es Halt, Orientierung und menschliche Nähe“, sagt er. Das Projekt zeige, wie sehr medizinische, pflegerische und seelische Unterstützung ineinandergreifen können – und soll deshalb fortgeführt werden. „Das Palliativprojekt im Rettungsdienst setzt ein starkes Zeichen für mehr Menschlichkeit, für Würde und für echte Wahlmöglichkeiten am Lebensende.“ (red)

Neues Beliebtes
    Kontakt
    Kinzig.News Redaktion:
    Telefon:06051 833 712
    E-Mail: [email protected]
    Kinzig.News Vertrieb:
    Telefon:06051 833 711
    E-Mail: [email protected]
    Kinzig.Termine