Gefahr aus dem Bildschirm: Wie Kinder unter zu viel Medienkonsum leiden
Montag, 24.11.2025
SCHLÜCHTERN - „Die Dosis macht das Gift.“ Mit diesem Motto plädiert Andreas Dederich, Würzburger Ergotherapeut und systemischer Familienberater mit Spezialisierung auf die Behandlung von Kindern, für einen ausgewogenen, verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien.
Dederich war Referent bei einem Elternabend aller sechs städtischen Kindertagesstätten Schlüchterns zum Thema „Kommunikation im 21. Jahrhundert“. Dabei informierte er in einem zweistündigen Vortrag lebendig und kurzweilig über Umgang, Auswirkungen, Gefahren und Chancen digitaler Medien in Kindheit und Jugend. Als Gäste konnte er nicht nur Eltern, sondern auch Fachkräfte aus den Kindertagesstätten und Lehrer von hiesigen Schulen begrüßen.
Dederich: Eltern brauchen Sicherheit mit dem Umgang ihrer Kinder mit den digitalen Medien
"Über wenige Themen herrsche bei jungen Eltern so viel Unsicherheit und Verwirrung wie dem des Umgangs mit digitalen Medien in der Kindheit und Jugend", betonte Dederich. Eltern würden nach dem richtigen Weg einer guten Begleitung ihres Nachwuchses in diesem Punkt suchen.
Dederichs Grundannahmen: Spätestens seit der Verbreitung der Smartphones könne jedermann überall und jederzeit auf das globale Datennetz zugreifen. Diese Entwicklung werde sich nicht mehr umkehren. Eltern müssten ihre Kinder begleiten, sonst drohe ein totaler Kontrollverlust über Nutzungszeiten und Inhalte.
Studien belegen: Zu viel Bildschirmzeit führt zu Konzentrations- und Verhaltensstörungen
Kinder, die besonders viel und regelmäßig mit ungefilterten Informationen konfrontiert sind, leiden überdurchschnittlich häufig unter Konzentrations- und Verhaltensstörungen, Fettleibigkeit, Defiziten in der Persönlichkeitsentwicklung und der kognitiven Leistungsfähigkeit.
Die Belege hierfür kommen aus anerkannten Studien wie „Kim“ (Kind, Internet, Medien) und „Jim“ (Jugend, Information und Multimedia) des medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest. Weitere Erkenntnisse zur Mediensucht könnten einer neuen Studie der Krankenkasse DAK aus dem Jahr 2024 entnommen werden, wonach knapp 25 Prozent der Minderjährigen soziale Medien riskant nutzen.
Zu viel Fernsehen: Sensorische Überlastung bei Kleinkindern
Aus medizinischer Sicht kennzeichnete Dederich vor allem zwei Folgenkomplexe von ungezügeltem Computergebrauch bei Kindern. Im Kleinkind- und Vorschulalter gefährde er die Entwicklung eines gesunden Zusammenspiels der Sinne, von denen auch die modernsten Medien nur das zweidimensionale Sehen und das Hören ansprechen.
Dass Kinder beim Schauen einer Sendung ruhig sind, sei nichts anderes als das äußere Symptom einer sensorischen Überlastung. Es bestehe die Gefahr einer frühen psychischen Erkrankung wie Depressionen oder Verhaltensstörungen, da ein Kind sich gerade erst ein eigenes Bild von der Realität schaffe und Gefahr laufe, Handlungsmuster aus Fiktionen unbewusst zu übernehmen.
„Nicht jeder, der Kampfspiele spielt, ist ein potenzieller Amokläufer“, entschärfte Dederich diese Aussage. Er fügte jedoch hinzu: „Wenn ein echter Kerl immer gewinnt, indem er seinen Gegner umlegt, und in einer Soap jeder mit jedem in die Kiste steigt, das prägt sich irgendwann ein.“ Als Familientherapeut und zweifacher Vater hatte Dederich praktische Tipps parat. Allgemeingültige Regeln kenne er keine - ein „zu viel“ sei erreicht, wenn ein Kind die Lust am physischen Spiel und der frischen Luft verliere, schulische und häusliche Aufgaben vernachlässigt.
In Sachen TV und PC riet er zum Aufstellen von festen Kontingenten. Mit einer bewussten Programmauswahl, gemeinsamem Konsum und Gesprächen über das Gesehene würden die beiden sogar zu ausgezeichneten Wissensvermittlern. Bei alledem erinnerte der Fachmann die Eltern aber auch an ihre Verantwortung und Vorbildfunktion. Das Anbieten von Alternativen in der Freizeit und eine altersgerechte Regulierung beziehungsweise Begleitung sei eine wichtige Aufgabe ihrerseits. (red)