Pflegekräfte am Limit: Dramatische Zustände in Pflegeheim, die sprachlos machen

Dienstag, 21.01.2020
von MORITZ PAPPERT
MAIN-KINZIG-KREIS - Bundesweit sind Pflegekräfte überfordert und am Limit. Doch was Bianca H. (Name von der Redaktion geändert), die in einem Altenpflegeheim im Main-Kinzig-Kreis arbeitet, gegenüber KINZIG.NEWS erzählt, ist unfassbar. Gefälschte Pflegeprotokolle, Senioren die tagelang im Bett liegen und nicht richtig gewaschen werden und Windeln, die nicht gewechselt werden. Es sind Zustände, die sprachlos machen.
Bianca H. arbeitet schon seit vielen Jahren in der Pflege. In den letzten Jahren seien die Zustände immer schlimmer geworden. „Wir sind alle überfordert. Es mangelt an Personal und wir können uns nicht ausreichend Zeit für die Pflegebedürftigen nehmen. Das merken auch die Bewohner“, beklagt sie. In sogenannten Pflegeprotokollen muss jede Hilfeleistung an den Bewohnern wie Körperpflege, Ernährung und Mobilität eingetragen werden. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) überprüft diese regelmäßig. Doch die Eintragungen stimmen oft nicht.
„Der MDK Hessen prüft im Auftrag der Verbände der Pflegekassen jährlich 90 Prozent der zugelassenen Pflegeeinrichtungen in Hessen hinsichtlich der von ihnen geleisteten Pflegequalität. Im Jahr 2018 hat der MDK Hessen die Qualität dieser Einrichtungen in insgesamt 1.822 Fällen geprüft“, so der MDK Hessen auf Nachfrage von KINZIG.NEWS.
"Der Mensch steht nicht an oberster Stelle"
„Immer, wenn der MDK kommt, werden die Protokolle gefälscht, sodass es so aussieht, dass die Vorgaben eingehalten wurden. In Wahrheit ist das aber nicht zu schaffen“, so Bianca H. Auch die Reinigung und Ordnung im Pflegeheim sei nur dann passabel, wenn der MDK kommt. Der MDK wisse das auch. „In Einzelfällen stellt der MDK Hessen Auffälligkeiten - meist im Rahmen der Überprüfung von Abrechnungen ambulanter Pflegedienste - fest. Die Auffälligkeiten werden der zuständigen Pflegekasse weitergeleitet, der dann eine ausführliche Prüfung der Abrechnung obliegt… Regelprüfungen des MDK werden grundsätzlich am Vortag angekündigt. Anlassbezogene Prüfungen, beispielsweise aufgrund von Beschwerden, finden unangemeldet statt“, so der MDK.
„Es sind viele kleine Dinge - der Mensch steht da einfach nicht an oberster Stelle“, bilnaziert H. Unter anderem werde aufgrund des Zeitmangels nicht darauf geachtet, ob die Bewohner ihre Medikamente richtig einnehmen. Teilweise würden diejenigen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, tagelang nur im Bett liegen und nicht bewegt werden. „Dafür fehlt einfach die Zeit. Die Vorgaben können schlicht nicht eingehalten werden.“ Ein zusätzliches Problem: Das Geld. „Es wird dokumentiert, wie viele Windeln jemand benötigt. Da wird dann schon mal eine Windel einfach angelassen, nach dem Motto `Da geht noch was rein´, um zu sparen.“
"Würde meine Eltern nie in ein Pflegeheim stecken"
Bei einer Kontrolle des MDK wird in einer „Inaugenscheinnahme der Bewohnerinnen und Bewohner sowie dem persönlichen Gespräch mit ihnen“ die Situation eingestuft“, sagt der MDK zur Art der Kontrolle.
Verantwortlich für die eklatanten Probleme in der Pflege ist laut Bianca H. die Gesundheitspolitik. Der MDK sieht das ähnlich: „Als gemeinsame Stimme der Pflegekräfte weisen der Deutsche Pflegerat (DPR) wie auch der regional strukturierte Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) Politik und Unternehmen regelmäßig darauf hin, dass der bestehende Pflegefachkräftemangel ohne gute Arbeits- und Rahmenbedingungen nicht zu lösen ist“, heißt es seitens des MDK. „Wenn es mehr Personal gäbe, dann wäre die Situation eine ganz andere. So wie es aber aktuell ist, würde ich meine Eltern nie in ein Pflegeheim stecken“, sagt Bianca H.
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