SINNTAL

Handgemachte Unplugged-Musik in Biemühle: „Sonnenbrand im Winterland“

Fotos: Walter Dörr


Sonntag, 26.01.2020
von WALTER DÖRR

SINNTAL - Der Veranstaltungstitel „Sonnenbrand im Winterland“ hat was, ist rund und reimt sich. Nur einen Sonnenbrand zur Abendstunde in der Feierscheune und im ehemaligen Kuhstall der historischen Biemühle im Sinntaler Ortsteil Weichersbach zu bekommen, das funktioniert nicht. Aber vermutlich wollten die Organisatoren auch gar nicht, dass ihren Gästen Hautverbrennungen durch zu intensiver Sonneneinstrahlung zugeführt werden. 

Das mit dem „Winterland“ klappte angesichts von Außentemperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt ganz gut – Abzug lediglich in der B-Note wegen fehlendem Schnee. Ansonsten war die Premiere des Festivals voll und ganz geglückt und das örtliche Organisationsteam Christoph Eichholz, Martin Dorn, Chris Menius, Sebastian Roskoni und Florian Spano ist zufrieden. Ziemlich Erfahrung haben die Musikfreunde bereits durch die von ihnen an gleicher Stelle schon sieben Mal durchgeführten Open-Air-Festivals „Sonnenbrand am Mühlenstrand“. Handgemachte Unplugged-Musik in der mit nostalgischen Accessoires üppig dekorierten Location ist ein Konzept, das aufgeht. Mit Heizstrahlern versuchte man, das Innere der Scheune zu beheizen, was jedoch nicht bis zur „Muggeligkeit“ gelingen konnte. 

Das Einheizen durch mitreißende Livemusik war mehr als eine Alternative – Glühwein tat ein Übriges. Hauptmacher Christoph Eichholz freute sich bei seiner Begrüßung über den guten Besuch beim ersten Sonnenbrand zur Winterzeit. Wie er gegenüber kinzig.news erklärte, ist die Intension zu dem Festival gewesen, in der an Musik eher ärmeren Winterzeit eine Möglichkeit zu schaffen, Livemusik zu hören. Und dass im Kühlen die Finger zum Gitarre spielen erst gängig gemacht werden müssen, das erlitt der erste Künstler „Big Bear“. 

Aus der sächsischen Hauptstadt Dresden hat es den Vollblutmusiker nach Franken (Bad Brückenau) verschlagen, und so war es nur ein Katzensprung übern Berg nach Weichersbach. Vor allem gefiel der „Bear“ mit auf der Akustikgitarre gefühlvoll und rhythmisch gespieltem Blues. Die Finger der linken Hand tanzten quasi auf dem Griffbrett des Instrumentenhalses und seine rechten Finger entlockten den Saiten den mitreißenden unplugged-Sound. Und weil „fertige Töne“ angenehmer zu spielen sind – und „Big Bear“ beide Instrumente perfekt beherrscht -, wechselte er auch zum E-Piano.

Anspruchsvolle Eigenkompositionen, darunter eine Filmmusik, wussten zu gefallen. Aber seine Auftrittszeit – zuzüglich geforderten Zugaben - erfüllte er wieder an der Gitarre mit wahnsinnigen Hörerlebnissen. Die Band „Reichelts Flug“ aus Schlüchtern (Johannes Schneider-Gesang, Bass, Synthesizer, Texter, Frederik Nied-Gitarre, Fabio Collu-Schlagzeug) spielte dann nach einer kleinen Umbaupause und der Behebung technischer Probleme (alles eben live) Rock, Blues und Psychedellic mit deutschen Texten. Einen Absturz, wie ihn der Namensgeber der Band Franz Reichelt 1912 beim Sprung vom Eiffelturm mit tödlichem Ausgang hatte, hatten die Bergwinkel-Musiker natürlich nicht. Vor zwei Jahren gastierte „Reichelts Flug“ schon einmal bei Sommerfestival „Sonnenbrand am Mühlenstrand“.

 Den Weg in das Rhöner Bermudadreieck Fulda - Bad Brückenau – Sterbfritz, wie es der Würzburger Liedermacher navigiert, fand auch El Carpintero. Die Kategorie Raw Blues-Rock interpretiert er vom feinsten, natürlich auch mit seiner rauchigen Stimme. Musikalisch ebenso ein meisterlicher Handarbeiter. Songwriter Luger aus Hanau, eigentlich Frontmann der Indie-Rock-Band „Shawn“, ist mit seiner Akustikgitarre eins. In Moll und Dur besingt und spielt er als Solist Gefühle und Geschichten, lässt sein Publikum teilhaben. Der erste Sonnenbrand im Winterland war eine gelungene Veranstaltung und könnte „im Winter“ 2020/21 wiederholt werden. Am 29. August diesen Jahres steht aber erst einmal wieder das Open-Air „Sonnenbrand am Mühlenstrand“ an. Ein Termin, den man sich unbedingt vormerken sollte.

MÜHLENGESCHICHTE

Das (Hobby-)Müller-Ehepaar in der fünften Generation, Siglinde Heil-Dorn und Helmut Dorn pflegt ihr historisches Schmuckstück mit viel Liebe. Die Biemühle ist die zweitälteste der insgesamt fünf Weichersbacher Mühlen (noch die Hopfen-, Papier-, Neu- und Pappmühle) und wird 1545 erstmals urkundlich erwähnt. In einen Sandstein ist heute noch sichtbar die Zahl 1589 eingemeißelt. In der Chronik wird nach dem Dreißigjährigen Krieg Johannes Frantze als Mühlenbesitzer genannt, es folgten Hans Henkel und Adam Wertmann, dann sechs Generationen der Familie Krack. Am 5. Februar 1811 erhielt Andreas Krack die Erlaubnis, die seitherige Ölmühle auch zum Fruchtschroten zu nutzen.

Der Mottgerser Philipp Hölzer erwarb die Biemühle 1866 für 600 Gulden. Dessen Tochter Barbara heiratete Friedrich Heil aus Uttrichshausen, der die Mühle 1882 übernahm und seitdem ist sie im Familienbesitz der Heils. Obwohl die Maschinerie der Mühle noch voll funktionsfähig ist, wird nicht mehr gemahlen. Das einmalige Ambiente der Biemühle mit vielen Relikten aus vergangenen Zeiten kann stattdessen für Veranstaltungen genutzt werden. Der urige Kuhstall, die rustikale Scheune, der idyllische Mühlengarten oder der große Mühlenhof bieten sich zum Feiern an. Und wer möchte, kann sich in dem romantischen Mühlenzimmer auch das Ja-Wort geben, denn die Gemeinde Sinntal unterhält hier eine Standesamt-Außenstelle. +++

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