"Die Saat des Bösen geht auf": Kreistagssitzung gedenkt Anschlag in Hanau
Freitag, 21.02.2020
von JOANA GIBBE
GELNHAUSEN - Es ist eine Kreistagssitzung der etwas anderen Art, die am Freitagmorgen nur knapp 36 Stunden nach der verheerenden Tat in Hanau im Main-Kinzig-Forum in Gelnhausen abgehalten wird. Kreistagsvorsitzender Carsten Ullrich betont, an diesem Tag „nicht zur gewohnten Tagesordnung überzugehen“, sondern „diesen Freitag zu nutzen, um ein Zeichen zu setzen und der Betroffenheit ein Gesicht zu geben“.
Neben Oberbürgermeister Claus Kaminsky finden sich auch Bürgermeister Axel Weiss-Thiel, Stadtverordnetenvorsteherin Beate Funk und Stadtrat Thomas Morlock in der Kreistagssitzung ein, um in diesem Rahmen der Opfer der schrecklichen Nacht in Hanau zu gedenken. „Wir sind vereint in der Betroffenheit, im Mitgefühl, in der Anteilnahme und der Trauer, aber auch in der Entschlossenheit“, betont Ullrich. Denn das schreckliche Geschehen ist „nicht irgendwo in Deutschland, nicht in der Nachbarschaft, sondern mitten unter uns passiert“. Umso wichtiger ist es daher, „Hass, Hetze und Gewalt, egal von wem sie kommt oder gegen wen sie sich richtet, keinen Millimeter Raum in unserer Gesellschaft zu geben“, schließt der Vorsitzende seine Rede.
In einer Schweigeminute gedenken die Anwesenden der Opfer und Verletzten, sowie den Familien und Freunden des rassistisch motivierten Anschlags in Hanau.
Starkes Zeichen für Frieden, Freiheit und Demokratie
„Das Entsetzen hat uns nicht verlassen“, beginnt Landrat Thorsten Stolz seine Rede. Nicht ansatzweise könne man nachvollziehen, welches Leid Betroffene, Angehörige und Freunde durchmachen. Im Rahmen der Sitzung und auch mit den bundesweit abgehaltenen Mahnwachen am Donnerstagabend könne man aber „ein Zeichen der Verbundenheit und Anteilnahme zum Ausdruck bringen“. Mit dem Zusammenkommen tausender Menschen „unterschiedlicher Nationalitäten, Religionen und Kulturkreisen“ setzte man am Donnerstag ein „starkes Zeichen für Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschlichkeit“, so Stolz.
Das Klima in unserem Land habe sich verändert, betont der Landrat. Der Anschlag in Hanau zeige das einmal mehr. Deshalb sei es in der Verantwortung der gesamten Gesellschaft, dieser Entwicklung entgegenzutreten. „Aus Angst wird Hass, aus Hass wird Wut und Wut führt ganz oft zu unsäglichem Leid“, so Stolz. Daher müsse diese Verantwortung der Gesellschaft auch im Alltag präsent sein. „Der Staat, seine Institutionen und jeder Einzelne von uns sind gerade in diesen Zeiten aufgerufen, all jenen mit Entschlossenheit zu begegnen, die aus rechtsextremer politischer Verblendung heraus ein anderes Deutschland wollen und unsere Grundwerte mit Füßen treten“, betont der Landrat, denn „der Anschlag in Hanau führt uns schmerzlich vor Augen, dass die Saat des Bösen aufgeht“.
Keine Fremdenfeindlichkeit, sondern Rassismus und Hass
Auch Oberbürgermeister Claus Kaminsky findet klare Worte bei der Kreistagssitzung: „All diejenigen, die glauben, dass diese Stadtgesellschaft nicht die Kraft hat, sich dem entgegenzustellen und gemeinschaftlich für eine gute Zukunft zu sorgen, denen werden wir die Stirn bieten“.
Innerhalb weniger Stunden versammelten sich am Donnerstagabend über 5.000 Menschen auf dem Hanauer Marktplatz zur Mahnwache. „Jeder, der da war, hat auch verspürt, dass sich nicht nur die Stadtgesellschaft Hanau, sondern auch die Gesellschaft unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht auf einen Irrweg von wem auch immer wird drängen lassen“, so Kaminsky.
Des Weiteren betont der Oberbürgermeister, vermehrt das Wort „Fremdenfeindlichkeit“ vernommen zu haben. Doch „diejenigen, die am 19. Februar in Hanau ermordet wurden, waren keine Fremden“, womit auch die schreckliche Tat keine Fremdenfeindlichkeit, sondern „Rassismus und Hass gegen Menschen“ war. „Lassen Sie uns als aufrechte Demokraten alle beieinanderbleiben und lassen Sie uns denjenigen, die unseren Staat und die Menschen verächtlich machen wollen, entschlossen und kraftvoll entgegentreten“, schließt Oberbürgermeister Kaminsky seine Rede und erntet Beifall in der sonst eher stillen Kreistagssitzung.
Verkürzte Tagesordnung in Gedenken an die Opfer
Auch den Einsatzkräften, die in der schrecklichen Nacht am Mittwoch „an die Grenzen ihrer physischen und psychischen Belastbarkeit gegangen sind“, wird im Rahmen der Sitzung von allen Rednern größter Dank ausgesprochen.
Nach den Reden öffnete der Kreistag auch ein Kondolenzbuch, in dem die Anwesenden ihre Anteilnahme ausdrücken konnten. Lediglich ein Punkt der Tagesordnung, die Finanzierung von Investitionen der Main-Kinzig-Kliniken wurde im Anschluss abgestimmt, bevor die Sitzung geschlossen wurde. +++