Ein Puzzle, das nicht passt: Vergewaltigungsprozess am Hanauer Landgericht

Mittwoch, 26.02.2020
HANAU - Es waren vor allem sachverständige Zeugen, die am vierten Verhandlungstag am Hanauer Landgericht im Prozess wegen Vergewaltigung, in dem sich Carsten B. (alle Namen geändert) verantworten muss, aussagten. Medizinische Expertise, Verletzungsmuster und DNA-Analysen standen im Mittelpunkt, doch je kleinteiliger die Kammer bemüht ist, das Geschehen des 18. Dezember 2017 aufzuarbeiten, desto undurchsichtiger scheint das Gesamtbild zu werden, das sich ergibt.
Carsten B. soll an jenem 18. Dezember Simone F. in deren Wohnung brutal vergewaltigt haben. Weil sie während des zunächst einvernehmlichen Geschlechtsaktes starke Schmerzen verspürte, will die heute 53-Jährige, bei der eine Intelligenzminderung vorliegt, ihn mehrfach aufgefordert haben, aufzuhören, was der Angeklagte jedoch nicht tat. Carsten B. bestreitet die Tat, räumt lediglich einvernehmlichen Oralverkehr ein.
Dagegen spricht der Umstand, dass im Rahmen der nun im Verfahren vorgestellten Spurenanalyse an einem Slip des mutmaßlichen Opfers neben verschiedenen großflächigen Blutspuren, die von Simone F. stammen, auch Sperma nachgewiesen wurde, das Carsten B. zuzuordnen ist. Daneben war an besagtem Slip aber auch DNA einer anderen männlichen Person nachweisbar, und auch an einer Jeans Simone F.s wurde bei der Untersuchung Sperma festgestellt, das nicht vom Angeklagten stammt. Über das Alter der Spuren lässt sich nach Angaben der mit der Untersuchung betrauten Biologin vom Landeskriminalamt keine Aussage treffen, sodass über den zeitlichen Abstand des Zustandekommens keinerlei Angaben gemacht werden können.
Um eine detaillierte Vorstellung vom Verletzungsbild der Opferzeugin zu erhalten, war zudem ein Gynäkologe aus dem Klinikum Hanau geladen, wo Simone F. am Tag nach der von ihr angezeigten Tat operiert wurde. Hier waren ein tiefer Scheidenriss und ein Dammriss genäht worden. Für die damals behandelnde Ärztin hatte angesichts dieser Verletzungen eine Vergewaltigung nahegelegen, ihr Kollege relativiert das Ganze ein wenig. So komme ein Dammriss bei einer Geburt zwar recht häufig vor, erklärte der Mediziner, könne aber auch durch Geschlechtsverkehr verursacht werden.
Auch die Verletzung in der Scheide der Patientin sei durch Penetration erklärbar. Seiner Einschätzung nach muss es sich dabei auch nicht zwingend um einen besonders aggressiven Geschlechtsakt gehandelt haben, sodass solche Wunden sehr wohl auch bei einvernehmlichem Sex entstehen könnten. Insgesamt lasse das Verletzungsbild für sich genommen jedenfalls noch keine Rückschlüsse auf eine Vergewaltigung zu.
Die spannende Frage, wie Gutachterin Sonja Parr die Glaubwürdigkeit der Opferzeugin einschätzt, wurde gestern aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit nicht mehr beantwortet. Damit wird am kommenden Verhandlungstag am Mittwoch, 11. März, zu rechnen sein. (GNZ)+++