HANAU

Premiere von „Schneewittchen“: Sieben mitreißende Zwerge mischen das Amphitheater auf

Fotos: Hendrik Nix


Montag, 10.06.2019
von Lena Riemann/PM

HANAU - Es hätte ja ein bisschen Wehmut in der Luft liegen können am vergangenen Wochenende - immerhin hob sich mit „Schneewittchen“ in der diesjährigen Festspielsaison zum letzten Mal der imaginäre Premierenvorhang. Doch weit gefehlt: Vom ersten Moment an war das Publikum im vollbesetzten Hanauer Amphitheater mittendrin und live dabei, mitgerissen von der rasanten Handlung und hingerissen von sieben reizenden, schrulligen und so wunderbar menschlichen Zwergen. Und bei so viel guter Laune war für Wehmut einfach kein Platz. 

Für einen Zuschauer war die Premiere von „Schneewittchen“ nochmal anders besonders: Autor Stephan Lack, der Gewinner des diesjährigen Autorenwettbewerbs, sah das, was er vor Monaten im Kopf, später auf Papier entwickelt hatte, erstmals auf der Bühne. Zwischen Einreichen des Manuskriptes, dem Gewinn des Wettbewerbes, einer Überarbeitung und Anpassung hatte der Wiener sein „Schneewittchen“ nämlich nicht mehr zu Gesicht bekommen. Aber, so Lack nach der Vorstellung, die Umsetzung sei einfach wunderbar geworden. Er habe „seine“ Charaktere so vorgefunden wie er sie sich eben auch vorgestellt habe. 

Stehende Ovationen 

Ein Lob aus berufenem Munde, dem sich mit Sicherheit die Zuschauer der Premiere angeschlossen hätten: Mit dem ersten Takt der zwergischen Auftrittsmusik waren sie gefangen, klatschten mit, jubelten, lachten viel und herzhaft und sparten nicht mit (Zwischen-)Applaus. Dass das Ensemble am Ende mit minutenlangem frenetischem Applaus und stehenden Ovationen belohnt wurde, war mehr als verdient.  Das Geheimnis des „Schneewittchens 2019 made in Hanau“? Die Handlung bleibt die, die der gemeine Märchenleser kennt: Böse Stiefmutter mit Zauberspiegel und überzogenem Geltungsdrang, wunderschöne Prinzessin, die vor der Stiefmutter flieht und hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen landet, dort aufgenommen, dann aber von der Bösen aufgespürt und mit einem Apfel vergiftet wird. Ein glücklicher Zufall und die "Dabbigkeit" eines Prinzen, der den Sarg mit der vermeintlich toten Königstochter fallen lässt, holen Schneewittchen zurück ins Leben. So weit, so bekannt. In seinem Skript aber lässt Stephan Lack die Geschichte von Schneewittchens Kindermädchen Irmgard (Marina Lötschert) erzählen, unterstützt von den Zwergen, die dafür in verschiedene Rollen schlüpfen. 

„Es heißt ja auch nicht ‚Rotkäppchen mit 11 Volumenprozent oder Rapunzel und zwölf Meter Spliss“. Gleichwohl lässt sich Irmgard nicht beirren: Wenn sie dieses Märchen erzähle, heiße es „Schneewittchen und die sieben Zwerge“, Ende Gelände. Sie animiert die „Bergmänner“, verschiedene Rollen anzunehmen, was diese natürlich auch wieder nicht wollen, weil es so unmännlich ist. Aber ausgestattet mit ein paar Requisiten (was so eine goldene Krone doch ausmacht…), rutschen die „Schauspieler wider Willen“ in ihre neuen Identitäten. Das Kopfkissen wird zum Neugeborenen, ein Bilderrahmen zum Fenster in die Geschichte, sternchenstreuende Zwerge zu Romantikern. 

Marina Lötschert singt wunderschön vom Glück der Eltern, als Schneewittchen zur Welt kommt, vom untröstlichen König nach dem Tod seiner Frau, der in langen Reisen das Vergessen sucht und seine Tochter nicht aufwachsen sieht – und auf einmal steht Schneewittchen selbst (Rebekka Reinholz) mitten in der Handlung. Klingt verwirrend, ist es aber nicht: Die Erzählteile fügen sich mühelos ineinander, der Zuschauer findet sich mal im Schloss, dann im Wald und natürlich im Häuschen der sieben Zwerge wieder. 

Sprachwitz und Schlappmaul 

Was diese Inszenierung (Regie: Lajos Wenzel) aber vor allem ausmacht, sind Sprachwitz, der ohne Plumpheit auskommt, Extras, die in der ursprünglichen Geschichte nicht vorgesehen sind, aber einfach Spaß machen und die fein herausgearbeiteten Charaktere. Die Stiefmutter ist schrill, nervig, wunderschön und richtig böse (Carolin Sophie Göbel), Amme Irmgard ein Schatz mit Dursetzungsvermögen und Eichhörnchenphobie, Haushofmeister Krötenwang ein wahnsinnig komischer kratzbuckelnder Höfling (Stefan Schneider). Vor allem aber die Zwerge stehen jeder für sich und nicht nur als Gruppe, also als „gleichgeschlechtliche Wohngemeinschaft von Arbeitskollegen“, wie sie sich selbst bezeichnen. 

Es ist eine Produktion, in der die Zuschauer nicht nur optisch-darstellerisch auf ihre Kosten kommen, sondern auch gut hinhören sollten, damit ihnen die ganzen Feinheiten nicht entgehen – „Revanche Nummer Fünf“ zum Beispiel ist die Waffe der Wahl der bösen Stiefmutter, die sie in ihrem Kellergewölbe mit vielen ekligen Ingredenzien zusammenbraut, um damit den königlichen Gatten und das verhasste Stieftochter ins Jenseits zu befördern. 

Die Rettung Schneewittchens vor dem Gift des Kamms in ihrem Haar wird von allen Zwergen als Szene in Zeitlupe dargestellt – ein weiterer Hingucker! Autor, Regisseur und Darsteller haben den Blick fürs Kleine-Feine, für Details, für Witz ohne Keule bewiesen. Kostüme (Ulla Röhrs), Requisiten (Barbara Müller/Victoria Weichselgärtner) und Bühnenbild (Tobias Schunck und Team) sind dabei starke Partner und machen aus „Schneewittchen 2019 made in Hanau“ etwas ganz Besonderes. +++

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