HANAU

Mann (28) vor Gericht: Jede Menge Stoff und ein abgetrenntes Ohr

Symbolbild: GNZ


Mittwoch, 08.04.2020

HANAU - Es war ein sauberer, diagonaler Schnitt. Danach hing das rechte Ohr von Andreas K. (alle Namen geändert) nur noch an einem Hautlappen, die Verletzung musste mit mehreren großen Stichen genäht werden. Das Tatwerkzeug muss, so viel verrät das Lichtbild in der Polizeiakte, in jedem Fall sehr scharf gewesen sein. Zwar fehlt davon nach wie vor jede Spur, doch auch ohne die Tatwaffe gibt es an der Täterschaft wenig Zweifel: Arun P. wird deshalb seit gestern vor dem Hanauer Landgericht der Prozess gemacht.

Es geht um viel für Arun P., und das ist ihm durchaus bewusst. Seriös sieht er aus in seinem blauen Anzug über dem blütenweißen Hemd, wirkt gepflegt mit dem akkurat frisierten Undercut. Wie einer, der sein Leben im Griff hat. Doch der Eindruck täuscht. Immer wieder gerät der heute 28-Jährige mit dem Gesetz in Konflikt, zuletzt am Abend des 21. September vergangenen Jahres. Ein düsterer Tag, schildert er vor Gericht. Zoff mit der Freundin, Ärger mit dem Vater. „Ich wollte mir die Kante geben“, erklärt er sein Vorhaben, das er mit mehreren Dosen Hochprozentigem in die Tat umsetzen will. Nicht daheim, sondern am Kurt-Schuhmacher-Platz in Hanau-Kesselstadt. Dort trifft er unter anderem auf Andreas K., mit dem es nach einer verbalen Auseinandersetzung zu einem Handgemenge kommt, in dessen Verlauf er seinen Kontrahenten besagte Verletzung am Ohr beibringt. Eine Untersuchung seines Atemalkohols ergibt 1,51 Promille. Seit letztem Oktober sitzt Arun P. in Untersuchungshaft. Viel Zeit zum Nachdenken also, und die, erzählt er, will er genutzt haben. Sagt, dass ihm das leid tue mit dem Ohr, dass er sich beim Opfer persönlich entschuldigen will. Und sein Leben in den Griff bekommen. Eine Einsicht, die recht spät zu kommen scheint, denn den Warnschuss anderthalb Jahre zuvor hatte P. offenbar überhört.

Im Mai 2018 war er auf einem Spielplatz am Hochgericht mit Kokain und Marihuana erwischt worden. Bei der anschließenden Durchsuchung seines Zimmers in der elterlichen Wohnung entdeckten die Beamten einen umfangreichen Fundus an berauschenden Substanzen, von Kokain über Marihuana bis hin zu Amphetaminen, daneben zwei Feinwaagen, einschlägiges Verpackungsmaterial und 7_500 Euro Bargeld. Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge heißt das im Amtsdeutsch, und dass Arun P. darüber hinaus auch noch in Besitz dreier Messer und einer Gaspistole war, tut im Hinblick auf das zu erwartende Strafmaß ein Übriges. Eine Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren sieht der Gesetzgeber hierfür vor. Ein Umstand, der Arun P. bekannt gewesen sein muss, weil er sich kurz nach dem Vorfall bereits anwaltlich beraten ließ, der an seinem Lebenswandel aber mutmaßlich nicht allzu viel geändert haben dürfte. Anders lässt sich kaum erklären, dass bei ihm nach dem Übergriff auf Andreas K. eine Haschischplatte im Wert von knapp 300 Euro sichergestellt worden war. Für den Eigenkonsum, gibt er an, und kann sich gleichzeitig nicht recht erklären, warum er außerdem auch noch eine Feinwaage dabeihatte. Und gleichwohl er die Taten, nicht zuletzt wohl auch angesichts der erdrückenden Beweislast, vollumfänglich einräumt, gesteht er sich selbst dabei Erinnerungslücken und Interpretationsspielräume zu, die Staatsanwalt und Kammer gleichermaßen erheblich an der Glaubwürdigkeit seiner Aussagen zweifeln lassen. So will sich P. im Hinblick auf die zuletzt angeklagte Tat weder daran erinnern können, überhaupt ein Messer mit sich geführt zu haben, noch wissen, wo jenes am Ende abgeblieben ist, während er die Ereignisse vor und nach der Tat teils mit minutiöser Präzision zu schildern vermag. (GNZ) +++

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