MAIN-KINZIG-KREIS

Kreis verfährt bei Reiserückkehrern aus Risikogebieten strikter als vorgeschrieben

Symbolbild


Freitag, 03.07.2020

MAIN-KINZIG-KREIS - In den vergangenen Tagen hat es in unterschiedlichen Orten im Main-Kinzig-Kreis neue Coronavirus-Fälle gegeben, von denen die meisten Infektionswege auf einen Reiserückkehrer aus Risikogebieten zurückzuführen waren. Unter anderem hatte das Gesundheitsamt Schulklassen in Quarantäne schicken beziehungsweise in Biebergemünd sogar eine komplette Schule schließen müssen. „Wir haben vor den Sommerferien in noch recht kleiner Dimension erlebt, was sich über die Sommerferien und dann im Regelbetrieb aller Schulen potenzieren dürfte“, schätzt Landrat Thorsten Stolz. 

„Das müssen und wollen wir verhindern, dafür müssen wir bei den Reiserückkehrern aus Risikogebieten und deren Familienangehörigen ansetzen. Schon am Montag geht der Regelbetrieb in den Kitas wieder los, deshalb müssen wir kurzfristig strenger vorgehen.“ In einer Sitzung des Verwaltungsstabs haben Landrat Thorsten Stolz, Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler und Kreisbeigeordneter Winfried Ottmann nun eine „deutlich vorsichtigere Bewertung bei gemeldeten Einreisen in den Main-Kinzig-Kreis“, eine entsprechende Allgemeinverfügung sowie einen Vorstoß in Richtung der Landesregierung festgelegt.

Konkret geht es um eine umfänglichere Selbstisolierung und eine breiter angelegte Teststrategie bei Haushalten, in denen mindestens eine Person aus einem Risikogebiet zurückgekehrt ist. „Uns geht es darum, die besonders sensiblen Einrichtungen, also Schulen, Kitas, Krankenhäuser und Pflegeheime, stärker zu schützen. Wir brauchen einfach die größtmögliche Sicherheit, dass es in diesen Haushalten keinen Coronavirus-Infizierten gibt. Vorher dürfen Kinder und Jugendliche, auch keine Erzieher und Pfleger, so ohne weiteres wieder in ihre Einrichtung zurück“, fordert Landrat Stolz.

Der Main-Kinzig-Kreis setzt diese striktere Gangart seit Freitag bereits um: Wer aus dem Urlaub oder von einer Geschäftsreise aus einem der rund 130 Risikogebiete zurückkehrt, sei es nun ein bestimmter Staat der USA, Serbien oder Iran, muss wie bisher die eigenen persönlichen Daten dem Gesundheitsamt übermitteln. Zusätzlich muss er nun auch die weiteren Mitglieder des eigenen Hausstands melden, zusammen mit Angaben zu deren schulischer beziehungsweise beruflicher Situation. Das geht schnell und bequem online übers „CoroNetz“ auf der Internetseite des Main-Kinzig-Kreises. Das Online-Formular für Reiserückkehrer aus Risikogebieten ist entsprechend erweitert worden.

Befinden sich Schul- oder Kindergartenkinder unter den gemeldeten Personen beziehungsweise eine Partnerin oder ein Partner, die im medizinisch-pflegerischen Bereich arbeiten, wird das Gesundheitsamt seinen Ermessensspielraum in jedem Einzelfall weit auslegen nach dem Prinzip: Sicherheit geht zum Schutze der Mitmenschen in den Einrichtungen vor. Für die Kinder kann das ein vorübergehendes Betreuungs- oder Schulbesuchsverbot zur Folge haben, für die Angestellten in sensiblen Einrichtungen – also auch Erzieher und Lehrer – ein Tätigkeitsverbot oder, je nach Einrichtung, die Auflage, sich während der Tätigkeit besonders zu schützen. Erst wenn auf Basis eines Coronatests ein Arzt bescheinigt, dass beim Reiserückkehrer akut kein erkennbares Risiko für eine Covid-19-Erkrankung besteht, fallen die Einschränkungen auch für alle anderen weg.

„Verordnung des Landes Hessen reicht nicht aus“

Damit geht der Main-Kinzig-Kreis über die geltenden Vorgaben des Landes Hessen deutlich hinaus. Derzeit müssen sich heimische Urlauber oder Geschäftsreisende, die in Risikogebieten waren, melden und vorsorglich häuslich isolieren. Das gilt jedoch nicht für deren Kinder und Partner im selben Hausstand, wenn sie nicht mitgereist waren. Das könne dazu führen, dass sich im Haushalt der Partner oder das Kind ansteckt, diese aber weiter ihren Alltagserledigungen nachgehen, warnt der Main-Kinzig-Kreis: etwa die Schule oder Kita besuchen oder im Altenheim arbeiten. Erst ab dem Zeitpunkt, an dem der Reiserückkehrer bestimmte Erkältungssymptome zeigt, werden die Mitbewohner als Kontaktperson behandelt – nach geltender Verordnungslage. Bis dahin können sie das Virus jedoch schon an den Schulen, in Vereinen oder unter Freunden weitergegeben haben, stellen Thorsten Stolz, Susanne Simmler und Winfried Ottmann klar.

„Die geltende Verordnung des Landes Hessen reicht hier nicht aus, wie wir in den vergangenen zwei Wochen leidlich erfahren mussten, seit die Grundschulen ihren Regelbetrieb wieder aufgenommen haben. Wir wollen nicht nach den Ferien eine Klassen- und Schulschließung nach der anderen erleben“, sagt Gesundheitsdezernentin Susanne Simmler und stellt klar. „Es geht uns aber nicht nur um Schulen. In Kindergärten, Krippen und Horte wird die Situation eine ganz ähnliche sein. Auch sie starten jetzt in großer Zahl in den Regelbetrieb und damit sogar noch früher als die weiterführenden Schulen. Eine Lösung ist also dringend notwendig.“ Sie betont, dass das notwendige neue Vorgehen nicht alle Urlauber treffe, es gehe „rein um den Umgang mit Risikogebieten wie sie das Robert-Koch-Institut ausweist“.

Hintergrund ist eine Bewertung des Landkreises nach fast zwei Wochen Grundschul-Regelbetrieb. Es lägen kaum Hinweise darauf vor, dass in großem Maße gegen bestehende Hygiene- und Abstandsregeln, zumindest dort, wo sie im Schulalltag umgesetzt werden können, verstoßen werde, berichtet Schuldezernent Winfried Ottmann. „Aus mehreren Rückmeldungen von Schulen hören wir von einem alles in allem rücksichtsvollen Umgang der Schüler untereinander. Sobald aber ein Coronavirus-Fall in einer Schulklasse erkannt worden ist, war die Verunsicherung in der gesamten Schulgemeinde nachvollziehbar groß“, so Ottmann. Diese konkreten Erfahrungen habe man nun machen müssen, zusammen mit der Erkenntnis über die Verbreitungswege. Die Übertragung des Virus auf Schülerinnen und Schüler fand nach derzeitigen Erkenntnissen fast ausschließlich im privaten Bereich statt. „Die Folgen für den Unterrichtsbetrieb sind aber insgesamt enorm gewesen“, so der Kreisbeigeordnete.

Kreis bereitet Allgemeinverfügung vor 

Die Kreisspitze betont, dass sie sich eine landesweit einheitliche, sicherere Abklärungsphase gewünscht hätte. Eine solche Lösung wäre angemessen, ist aber derzeit nicht absehbar. Das hätten in den vergangenen Tagen mehrere Gespräche mit der Landesregierung und den Gesundheitsbehörden gezeigt. Im Umkehrschluss erwartet der Landkreis nun mit Einsetzen des Rückreiseverkehrs auch eine unübersichtliche Situation an sämtlichen Schul- und Betreuungsstandorten sowie in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen im Landesgebiet, sofern nicht frühzeitig gegengesteuert werde. Der Appell an die Eigenverantwortung gelte unverändert weiter, mitsamt Abstands- und Hygieneregeln. Das alleine reiche in Zeiten deutlich gelockerter Kontaktbeschränkungen aber nicht.

Der Main-Kinzig-Kreis bereitet derzeit eine Allgemeinverfügung vor, um die strengere Einzelfallprüfung in eine routinemäßige Behandlung bestimmter Reiserückkehrer-Haushalte zu überführen. Parallel wird der Kreis weiter für landesweit einheitliche Regelung werben. Am Freitag informierte die Kreisspitze zunächst die Landesregierung über die Hintergründe dieser Initiative: „Es geht dem Main-Kinzig-Kreis mit diesem fachlich notwendigen Schritt nicht darum, die vom Land Hessen derzeit in Kraft gesetzten Regelungen zu untergraben. Aus der Erfahrung der vergangenen beiden Wochen heraus sind wir als kommunal verantwortliche Entscheidungsträger jedoch verpflichtet, Landesregelungen dort zu ergänzen, wo wir es als unumgänglich ansehen“, heißt es im Schreiben an Ministerpräsident Volker Bouffier, Gesundheitsminister Kai Klose und Kultusminister Alexander Lorz.

Darüber hinaus sollten nach Ansicht des Landkreises Passagiere schon am Flughafen auf die Auflagen und Meldepflichten gezielter hingewiesen werden. Hierzu wird der Main-Kinzig-Kreis in den nächsten Tagen ebenfalls Gespräche aufnehmen, wie sich das konkret am RheinMain-Airport umsetzen ließe. (pm) +++

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