FRANKFURT AM MAIN

Alternative zur Brücke: Die Höchster Fähre bringt jeden Tag Fahrgäste über den Main

Oberbürgermeister Peter Feldmann - Fotos: Stadt Frankfurt


Freitag, 07.08.2020

FRANKFURT AM MAIN - Was verbindet die Stadtteile Höchst und Schwanheim miteinander? Eine ruhige Lage im Frankfurter Westen, hübsche Fachwerkhäuser, viel Natur in der Umgebung? Nein, in erster Linie verbindet ein Mann die beiden Stadtteile: Sven Junghans. Er betreibt die Mainfähre, die jeden Tag Fußgänger und Radfahrer vom Höchster zum Schwanheimer Ufer und umgekehrt transportiert. Mit Aussicht: Die Passagiere genießen während der kurzen Fahrt den Blick auf das Höchster Schloss und die Justinuskirche.

Seit 2015 ist Junghans der Herr der Fähre. „Zwischen 45.000 und 50.000 Fahrgäste setzen im Jahr mit ihm über den Main und zahlen dabei 1,30 Euro für Erwachsene und 70 Cent für Kinder zwischen vier und elf Jahren. Die Fähre fährt ganzjährig, bis auf eine vierwöchige Pause im Winter. Ein einzigartiger Service in Frankfurt – an keiner anderen Stelle innerhalb der Stadt kann man den Main auf andere Weise als über eine Brücke überqueren. Ein Service mit Tradition: 1623 fand die Fähre zum ersten Mal Erwähnung, im Jahr 2023 feiert sie ihr 400-jähriges Bestehen. Selbst den Krieg überlebte sie. 1945 fuhr Junghans‘ Vorgänger das damals genutzte Boot in die nahegelegene Mündung der Nidda und flutete es, sodass es unter Wasser der Zerstörung entkam. Nach Kriegsende wurde es geborgen und wieder in Betrieb genommen“, erläutert der für die westlichen Stadtteile zuständige Oberbürgermeister Peter Feldmann.

„Die Höchster Mainfähre hat schon vieles überdauert und ist mit ihrer Langlebigkeit ein Symbol für die Widerstandskraft und Energie, die der Frankfurter Westen verströmt. Ich bin stolz, dass wir Frankfurter uns an dieser fast 400 Jahre währenden Tradition erfreuen können – und hoffe, dass die Mainfähre noch lange in Betrieb bleibt“, ergänzt das Stadtoberhaupt.

Als 1992 die Leunabrücke gebaut wurde, wurde die damalige Autofähre aus dem Betrieb genommen. Eine Aktion, die bei den Bürgern auf Protest stieß, weshalb die heutige Fähre eingesetzt wurde und immer noch benötigt wird: „Es ist eine Tradition, die unbedingt erhalten bleiben sollte“, erklärt Junghans. „Eine unabhängige Fähre – es gibt ja auch Fähren, die am Seil fahren –, wird immer gebraucht. Sollte zum Beispiel die Leunabrücke gesperrt werden müssen, können wir zwar nicht die Autos transportieren, aber Fußgänger haben dann durch unsere Fähre immer noch die Möglichkeit, von der einen Mainseite auf die andere zu kommen.“ Dazu kommt, dass eine Fahrt mit der Fähre schöner und entspannter ist als der Weg über die viel befahrene Leunabrücke.

Keine festen Fahrzeiten

Möglich ist die Fahrt tagsüber immer: Im Sommer ist die Fähre zwischen 9 und 18 Uhr unterwegs, feste Fahrzeiten hat Junghans jedoch keine. „Ich fahre, wenn ich gebraucht werde“, sagt er. Praktisch für die Passagiere: Ein älterer Herr mit Fahrrad ruft dem Schiffsführer vom Höchster Ufer aus zu, dass er noch auf einen Freund warte. „Kein Problem“, ruft Junghans zurück, „wir fahren los, wenn er da ist.“ Wenn sich schon viele Passagiere auf der Fähre befinden, kann er natürlich nicht ganz so großzügig sein; wenn weniger los ist, ist jedoch keine Eile geboten. Irgendjemand kommt zwischen 9 und 18 Uhr aber immer: „Es gab noch keinen einzigen Tag, selbst bei Regen und Sturm, an dem ich keine Passagiere hatte“, erinnert sich der Fährmann, der in der siebten Generation einer Schifferfamilie angehört.

Um 18 Uhr hat Junghans allerdings noch nicht Feierabend: Nach dem regulären Fährbetrieb kann das Boot für private Touren gemietet werden. 3,5 Stunden dauert eine Fahrt, über die Griesheimer Schleuse bis zur Europäischen Zentralbank am Osthafen. „Abends fahren wir bis an die östliche Stadtgrenze. Wir verbinden alle Frankfurter von Ost bis West miteinander – die Fähre ist eine Botschafterin des Frankfurter Westens“, sagt Junghans. Ein- bis zweimal im Jahr fährt er auch bis an die Mainmündung. Die Touren haben ein klares Ziel: „Alle Fahrten, die wir machen, dienen dazu, den Erhalt der Fähre zu gewährleisten. Sie ist ein Kulturgut, das den Menschen im Frankfurter Westen am Herzen liegt.“

Doch auch sie kommen nicht mehr ganz so oft wie früher. Junghans wünscht sich vor allem an drei Tagen mehr Passagiere: dienstags, freitags und samstags. Dann ist Markt in Höchst, und dieser ist mit seinen vielen Ständen und der Markthalle auch für die Schwanheimer, Goldsteiner und Niederräder interessant. Was viele von ihnen aber gar nicht wissen, wie der Fährmann festgestellt hat. „Da müsste man noch mehr Werbung machen“, regt er an, „damit die Leute aus diesen Stadtteilen nach Höchst kommen, um dort einzukaufen. Und dabei natürlich mit der Fähre über den Main setzen.“

Stadt unterstützt Fähre

Interessiert am Erhalt der Mainfähre ist auch die Stadt Frankfurt, die den Betrieb finanziell unterstützt. Oberbürgermeister Peter Feldmann stattete Junghans am Dienstag, 4. August, selbst einen Besuch ab und fuhr mit ihm natürlich auch über den Main. „Die Mainfähre hat eine lange Tradition und passt trotzdem perfekt in unsere Zeit, denn die Fahrt über den Main hat etwas angenehm Entschleunigendes“, sagt das Stadtoberhaupt. „Die Fähre ist mehr als ein ‚Bus auf dem Wasser‘. Hier geht es darum, Stadtteile und die Frankfurterinnen und Frankfurter zu verbinden. Aus diesem Grund ist es mir ein wichtiges Anliegen, dass die Stadt die Höchster Mainfähre fördert.“

Es sind aber nicht nur die Frankfurter, die die Fähre nutzen. Auch internationale Gäste heißt Junghans willkommen. An viele erinnert er sich besonders gerne, wie an das niederländische Radfahrer-Pärchen, das mit dem Fahrrad von Rotterdam auf dem Weg nach Teheran war und dabei auch den Main überqueren musste. „Wir haben oft Fahrradfahrer an Bord, die aus weiter Ferne kommen“, erklärt der Schiffsführer.

Der Herr mit Rad, dessen Freund mittlerweile am Höchster Ufer eingetroffen ist, kommt nicht von weit her, das wird aus seinem Dialekt deutlich. Die beiden gehen an Bord, Junghans legt ab und schippert mit ihnen über den Main. Zwei Minuten dauert die Fahrt, wenn keine Schiffe kreuzen – zwei Minuten, die Höchst und Schwanheim weiterhin jeden Tag verbinden. (pm) +++

Oberbürgermeister Feldmann und Sven Junghans

Oberbürgermeister Feldmann und Sven Junghans

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