REGION

"Wir stehen mitten im Leben!" - Tegut-Chef Thomas Gutberlet zur aktuellen Lage

Tegut-Geschäftsführer Thomas Gutberlet beschreibt im K.N-Interview die aktuelle Lage - Fotos: Martin Engel


Donnerstag, 17.09.2020
von NINA BASTIAN UND CHRISTIAN P. STADTFELD

REGION - Die Corona-Pandemie hat das Verhältnis der Kunden zum Einkaufen in den Supermärkten neu definiert. Trotz Lockdown waren die Mitarbeiter der Handelskette fast rund um die Uhr im Einsatz, versorgten die Menschen mit Lebensmitteln, Haushaltsartikeln und - natürlich - Toilettenpapier. Die sonst weniger anerkannten und wertgeschätzten Kassierer wurden sogar als "Helden der Nation" gefeiert. Ein Imagegewinn für die Branche? Und was lief wirklich hinter den Kulissen ab? Wie entwickelt sich der Markt?

Es sei natürlich schön zu hören, dass man systemrelevant ist, jedoch bedeute das auch erhöhter Stress bei den Mitarbeitern. "Durch die Corona-Pandemie erreichte uns nicht nur viel Arbeit, sondern auch viele Sorgen. Die Zeiten haben sich geändert. In den Märkten versuchen wir uns und unsere Kunden so gut es geht zu schützen." So auch in der Zentrale. Homeoffice sei hier allgegenwärtig. "Ich möchte den sozialen Charakter eines Unternehmens weiterführen und das ist nicht immer einfach." Ein Unternehmen sei nun mal nicht nur ein Platz wo man arbeitet.

Interview in der Tegut-Zentrale in Fulda
Interview in der Tegut-Zentrale in Fulda
Thomas Gutberlet beschäftigt 7.200 Mitarbeiter
Thomas Gutberlet beschäftigt 7.200 Mitarbeiter
Redakteurin Nina Bastian
Redakteurin Nina Bastian

An Normalität ist noch lange nicht zu denken. "Natürlich gibt es mittlerweile eine klare Linie und die Kunden benehmen sich, trotzdem hat sich das Kaufverhalten einfach geändert. Und darauf versuchen wir zu reagieren." Klar erkennbar sei: "Die Kunden haben viel mehr gekocht und gebacken. Getreu dem Motto: Wenn ich nicht raus darf, dann mache ich es mir Zuhause schön." Der Bio-Anteil sei gestiegen, die Menschen würden sich gesünder ernähren. Das spiegele sich auch in den Umsätzen wider. "Zu Beginn der Pandemie verzeichneten wir wesentlich höhere Umsätze. Dafür haben wir für Desinfektionsmittel Gelder im siebenstelligen Bereich ausgegeben", bilanziert das Firmenoberhaupt. 

KINZIG.NEWS-Geschäftsführer Christian P. Stadtfeld
KINZIG.NEWS-Geschäftsführer Christian P. Stadtfeld

Sieht so das Einkaufen von morgen aus?

Stillstand gibt es bei Tegut nicht. Auf dem Firmenparkplatz steht bereits das neuste Projekt: ein lebensgroßer Automat zum selbst kassieren. "Zwischen 600 und 800 Artikel befinden sich in der Box. Wir testen den Prototyp gerade mit unseren Mitarbeitern und haben bislang viele positive Rückmeldungen bekommen", freut sich der 51-Jährige.

KINZIG.NEWS hat mit Tegut-Chef Thomas Gutberlet (51) aus Fulda gesprochen. Wir treffen ihn in der Unternehmenszentrale am Eisweiher. Er sagt: "Wir stehen mitten im Leben!" Das Traditionsunternehmen Tegut, gegründet 1947 und mit Hauptsitz in der Domstadt, gehört zur Züricher Migros-Genossenschaft und zählt mittlerweile rund 280 Märkte in Hessen, Thüringen und Bayern sowie Göttingen, Mainz, Stuttgart und Ludwigsburg. Bis zu 23.000 verfügbare Produkte und ein Netto-Umsatz von 1,069 Mrd. Euro (2019) machen den Betrieb zu einem Big Player im Handel. 7.200 Mitarbeiter gehören zur Tegut-Mannschaft, 400 von ihnen sind in der Zentrale beschäftigt.

Es sei natürlich schön zu hören, dass man systemrelevant ist. "Die Corona-Pandemie hat uns viel Arbeit beschert, den Mitarbeitern aber auch viel abverlangt. Gerade zu Beginn war es sehr stressig, der Alltag auch geprägt von Sorgen, gerade im Hinblick auf die Veränderungen beim Einkaufen. Man muss wissen: Die durchschnittliche Marktfrequenz liegt zwischen 1.500 und 2.000 Kunden", berichtet Thomas Gutberlet, der auf Sicherheit setzt. "In den Märkten versuchen wir, uns und unsere Kunden so gut es geht zu schützen." Auch in der Zentrale herrscht ein neuer Alltag: Homeoffice sei allgegenwärtig. "Ich möchte bei all den positiven Effekten aber auch den sozialen Charakter des Unternehmens weiterführen und das ist nicht immer so einfach." Ein Unternehmen sei nicht nur ein Platz, wo man arbeitet, sondern auch ein Ort der Begegnung. "Das geht in so einer Pandemie völlig verloren. Da helfen auch virtuelle Kaffeepausen nichts."

In diesem Prototyp wird selbst kassiert
In diesem Prototyp wird selbst kassiert
Die Firmenzentrale in Fulda
Die Firmenzentrale in Fulda
In Hünfeld bei Fulda entsteht das neue Logistikzentrum von Tegut. Eröffnung: 2023 - Visualisierung: Tegut
In Hünfeld bei Fulda entsteht das neue Logistikzentrum von Tegut. Eröffnung: 2023 - Visualisierung: Tegut

An Normalität sei noch lange nicht zu denken. "Natürlich gibt es mittlerweile eine klare Linie und eine neue Struktur: die meisten Kunden verhalten sich auch vorschriftsmäßig und tragen einen Mund-Nase-Schutz. Das ist wichtig", macht Gutberlet deutlich und betont: "Das Kaufverhalten hat sich verändert. Und darauf versuchen wir jeden Tag aufs Neue zu reagieren."

Klar erkennbar ist: "Wir haben ein enorme Steigerung bei Bio-Produkten. Unsere Kunden haben viel mehr gekocht und gebacken. Getreu dem Motto: Wenn ich nicht raus darf, dann mache ich es mir Zuhause schön." Die Menschen hätten sich auch gesünder ernährt, so die Erkenntnis von Tegut. Das spiegele sich auch in den Umsätzen wider. "Zu Beginn der Pandemie verzeichneten wir wesentlich höhere Umsätze. Dafür haben wir für Desinfektionsmittel & Co. Gelder im siebenstelligen Euro-Bereich ausgegeben", bilanziert der Firmen-Chef.

Sieht so das Einkaufen von morgen aus?

Stillstand gebe es bei Tegut nicht. "Wir investieren ständig, vor allem in unser Filialnetz und neue Technologien." Auf dem Parkplatz vor der Unternehmenszentrale steht das neueste Projekt: ein lebensgroßer Automat in Form eines Übersee-Containers zum 24/7-Einkaufen und selbst kassieren. "Zwischen 600 und 800 Artikel befinden sich in der Box. Wir testen diesen Prototyp gerade mit unseren Mitarbeitern und haben bislang viele positive Rückmeldungen bekommen", freut sich der 51-Jährige, der davon ausgeht, dass die Idee in Serie gehen wird.

Und auch ganz neu: der Online-Shop bei Amazon Prime Now. "Natürlich mussten wir uns die Frage stellen - in Zeiten von Lockdown waren wir sogar dazu gezwungen -, wie wir die Menschen bei ihrem Einkauf unterstützen und ihnen entgegenkommen können. Dadurch fiel die Wahl auf einen Online-Shop." Tegut entschied sich also für eine Kooperation mit dem Marktführer Amazon. "Bündnispolitik ist manchmal einfach besser", sagt Gutberlet. Rund 7.000 Artikel können online bestellt werden. Anschließend werden sie von unseren Teams gepackt und per Versand-Dienstleister an die Haustür geliefert. "Das Thema Online-Shop ist nicht ganz neu. Im Jahr 2000 haben wir es regional hier in Fulda schon einmal versucht. Damals waren wir aber zu früh und haben den Service wieder eingestellt. Er war nicht rentabel. Heute funktioniert die Lieferung nach Hause problemlos."

Expansion: Erster Tegut-Markt in München öffnet Ende 2020

Der Lebensmittel-Vollsortimenter baut mit Fokus auf Bio und Nachhaltigkeit aktuell in Hünfeld bei Fulda einen neuen Logistikstandort. "Die Lagerhallen hier an der Zentrale sind einfach zu klein." Der neue Standort bietet viel Platz und einen direkten Autobahnanschluss - "perfekt", findet Gutberlet und berichtet von mehr als 800 Mitarbeitern, die dort ab 2023 tätig sein werden. Und auch neue Flächen für Lebensmittelmärkte werden in regelmäßigen Abständen erschlossen. "Wir expandieren zwar mittlerweile auch in Richtung München - dort soll gegen Ende des Jahres im Hauptbahnhof ein Markt eröffnet werden -, trotzdem schauen wir auch in unserer Kernregion Osthessen immer wieder nach neuen Möglichkeiten."

Thomas Gutberlet ist seit 1997 im Unternehmen, seit 2009 als alleiniger Geschäftsführer an der Tegut-Spitze. Sein Fahrplan für die Zukunft ist klar: "Wir wollen uns von unseren Marktbegleitern mit Qualität abheben, ganz besonders bei Frischwaren wie Obst und Gemüse. Unser Slogan 'Gute Lebensmittel' ist nicht nur die Firmenphilosophie, sondern auch ein klarer Auftrag." +++

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