HANAU

Eine kunterbunte Ode an die Vielfalt: Rund 1.000 Besucher feiern den ersten Hanauer CSD

Knapp 1.000 Besucher zählte der erste Christopher Street Day in Hanau - Fotos: GNZ


Montag, 01.07.2019
von Gelnhäuser Neue Zeitung

HANAU - "Es wird schwül“, so die augenzwinkernde Wetterprognose, die Mitorganisator Peter Jüngling im Vorfeld des ersten Hanauer Christopher Street Day (CSD) abgab. Und tatsächlich kamen dessen Teilnehmer bei mehr als 30 Grad und kaum einem Lüftchen ganz schön ins Schwitzen. Doch auch wenn Jüngling mit jener doppeldeutigen Temperaturprognose (das Adjektiv für das Wetterphänomen und die Bezeichnung für männliche Homosexualität haben die gleiche Herkunft), goldrichtig lag, übertraf die Zahl der Besucher dann doch seine kühnsten Erwartungen: 1.000 Menschen kamen, um den ersten CSD in der Grimmstadt zu feiern. 

Als der Tag für Jüngling und den Kern des CSD-Orga-Teams beginnt, sind die Temperaturen noch angenehm kühl, weil die Nacht noch nicht allzu lang vorbei ist. Ab acht Uhr morgens laufen rund ums Olof-Palme-Haus in Kesselstadt die allerletzten Vorbereitungen für eine Veranstaltung, auf die Jüngling und seine Mitstreiter seit der Vereinsgründung im Juli 2018 hingearbeitet haben - mit zunehmender Intensität. 50 Jahre nach dem inzwischen berühmten Aufstand homo- und transsexueller Menschen gegen die Polizeiwillkür in New York soll es erstmals auch in Hanau eine Demonstration für Gleichberechtigung und die Akzeptanz abweichender sexueller Lebensformen geben.    

Punkt zwölf startet die Parade vom Schloss Philippsruhe in Richtung Innenstadt, ein kunterbunter Que(e)rschnitt der LSBTTIQ-Community. Schwule, lesbische, bi-, inter- und transsexuelle Menschen sind dabei, auf dem Umzugswagen oder per pedes, in schrillen Kostümen oder Jeans - ein wogendes Menschenmeer aus Glitter, Papierschlangen, Luftballons, Seifenblasen und nicht zu vergessen natürlich Regenbögen satt. Auf Shirts und Schirmen, Haarspangen und Rucksäcken, Fähnchen und Fahnen und sogar einem Gipsarm ist das Symbol für die Vielfalt von Lebensformen zu sehen. Je weiter es über Nussallee und Schlossplatz Richtung Freiheitsplatz geht, desto größer wird die Publikumsfrequenz. Viele Neugierige stehen am Straßenrand, um die bunte Parade in Augenschein zu nehmen - wohlwollend oder ablehnend, wobei ersteres deutlich häufiger der Fall zu sein scheint. Ein paar Mittelfinger sind zu sehen, weitaus mehr aber winkende und klatschende Hände, die zum Teil selbst Regenbogenfahnen schwenken.   

Vor dem Finanzamt stoppt der Demonstrationszug für eine kurze Zwischenkundgebung, zu der neben Stadtverordnetenvorsteherin Beate Funck und OB Claus Kaminsky zahlreiche Lokalpolitiker gekommen sind. „Es ist schön, dass Sie hier sind“, begrüßt Kaminsky die Teilnehmer und erinnert an die dunkle Historie des Gebäudes, das in Zeiten des Dritten Reiches Wirkungsort der Gestapo war, die auch Homosexuelle erbarmungslos verfolgte. „Nie wieder wollen wir in einer Gesellschaft leben, in der anders sein oder anders denken ein Problem ist“, sagt ein sehr entschlossener OB unter begeistertem Applaus der Umstehenden.    

Vorbei am Marktplatz führt der Demonstrationszug schließlich zurück in Richtung Kesselstadt und scheint immer lauter und ausgelassener zu werden. Trotz Hitze tanzen die Teilnehmer ausgelassen zu „What Is Love“ von Haddaway oder „Eye Of The Tiger“ von Survivor. Eine reizende Geste: Auf der Philippsruher Allee haben sich Anwohner mit Gartenschlauch postiert und spendieren Erfrischungswilligen eine kleine Dusche.      

Mit dem Olof-Palme-Haus ist schließlich der Zielort erreicht, und die Party geht mit einem bunten Bühnenprogramm weiter. Ob nun Drag Queen Valentina Versayce Madonna playbackt oder Bäppi La Belle „Mamor, Stein und Eisen“ intoniert - das Publikum geht mit. Wer erstmal eine Pause braucht, darf sich einfach ein schattiges Plätzchen irgendwo im weitläufigen Garten des Veranstaltungsortes suchen. Bevor dann die offizielle After-CSD-Party in der Library losgeht, gibt's viel Lob von den in weiten Teilen mehrfach CSD-erprobten Besuchern für das, was der Hanauer Verein um Peter Jüngling, Michael Marburger und Steve Euler hier auf die Beine gestellt hat. Alle drei zeigen sich am Abend erkennbar erschöpft aber zugleich auch „einfach nur happy“, dass bei der Hanauer CSD-Premiere alles so rund lief, oder die Besucher zumindest nichts davon mitbekamen, dass zum Beispiel drei Tage vor der Veranstaltung ein neuer Gastrostand organisiert werden musste.    

Nicht die schlechteste Bilanz also, und so scheint es für viele Besucher eine glasklare Sache zu sein, dass es eine Neuauflage der Veranstaltung geben wird. Ob nun nach dem Hanauer CSD tatsächlich vor dem Hanauer CSD ist, und sich das Orga-Team jenen Kraftakt ein weiteres Mal zutraut, ist aber eine Frage, auf die es am Samstag noch keine Antwort gibt. Denn nach Abschluss der Aufräumarbeiten am Sonntagnachmittag haben die meisten nur einen Wunsch: Mal richtig ausschlafen.+++

Neues Beliebtes
    Kontakt
    Kinzig.News Redaktion:
    Telefon:06051 833 712
    E-Mail: redaktion@kinzig.news
    Kinzig.News Vertrieb:
    Telefon:06051 833 711
    E-Mail: vertrieb@kinzig.news
    Kinzig.Termine