Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: Warten im Advent
Mittwoch, 09.12.2020
von STEFAN BUß
REGION - Warten ist lästig und Warten ist etwas ganz Großes. Warten ist zunächst lästig. Die rote Ampel und wieder verstreichen 30 Sekunden unserer Lebenszeit scheinbar ungenutzt. Die unvorhersehbare Zugverspätung. Da steht man herum und kann an diesem Ort, an dem man gerade angelangt ist, so wenig aus dieser Zeit machen. Und dann etwa das Wartezimmer beim Arzt, wo man nicht genau weiß: Überwiegen die guten oder die schlechten Nachrichten, bei dem, was ich gleich erfahre?
Heute, wo unser Umgang mit der Zeit in jeder Weise effektiviert und ökonomisiert wird, gilt Warten als Verschwendung, als Vergeudung von Ressourcen: Die Dienstleistung muss zum vorhergesagten Termin eintreffen, die Technik soll immer schneller und effektiver werden. Warten kann quälend sein, insbesondere für Kinder jetzt in den Tagen vor Weihnachten. Da gibt es zum Glück Mittel, sich das Warten zu verkürzen, den Adventskalender und manches andere. Wir versuchen das Warten möglichst zu vermeiden.
Warten ist aber auch etwas ganz Großes. Die Natur und auch unser Menschsein erinnern uns immer wieder daran, dass manches einfach nicht beschleunigt werden kann. Ein Baum, eine Pflanze, ein Tier – sie brauchen ihre Zeit, wenn sie gesund heranwachsen sollen. Auch ein Mensch braucht Zeit, um heranzuwachsen – schon vor der Geburt im Mutterleib und dann als Säugling, als Kind, als Jugendlicher. Und Warten ist in einer noch anderen Weise etwas ganz Großes: Wenn wir etwas oder jemanden erwarten. In einem gewissen Sinne bleiben wir hoffentlich unser ganzes Leben über Erwartende. Wenn wir nichts und niemand mehr erwarten, dann steht es nicht gut um uns. Wunschlos glücklich sind wir nur in den Momenten der Erfüllung. Dann steht die Zeit gewissermaßen still. Das ist wie Ewigkeit. Reine Erfüllung, ohne jeden Mangel.
Die Adventszeit ist im Besonderen eine Erwartungszeit. Wir warten auf die Ankunft Gottes in unserer Welt, in unserem Leben. Wir erwarten einen Menschen, der mehr als nur ein Mensch ist. Wir warten auf die Ankunft Jesu. Aber einmal ehrlich gefragt: Warten wir wirklich auf die Ankunft Jesu? Die quengelnden Kinder wissen, dass das Warten ein Ende haben wird und ihre Hoffnung erfüllt wird. Christen wissen noch viel mehr, nämlich, dass der Herr kommt, um Menschen zu stärken und zu erlösen. Möge seine Ankunft bei uns und in der Welt das Warten lohnen, das oft so lange dauert. Möge die Adventszeit besinnlich und beglückend sein für alle, die auf den Herrn warten!