FRANKFURT AM MAIN

Lübcke-Mörder Stephan Ernst zu lebenslanger Haft verurteilt

Der Hauptangeklagte Stephan Ernst - Foto: picture alliance/dpa/dpa-Pool | Boris Roessler


Donnerstag, 28.01.2021
von MORITZ PAPPERT

FRANKFURT AM MAIN - Kaltblütiger politisch motivierter Mord oder einfacher Totschlag? Darüber hat das Oberlandesgericht Frankfurt soeben entschieden. Im historischen Prozess um die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke lautet das Urteil für Stephan Ernst nach acht Monaten Prozessdauer mit vielerlei Wendungen: eine lebenslange Haftstrafe. Die Richter stellten außerdem die besondere Schwere der Schuld fest.

Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren quasi ausgeschlossen. Eine Sicherungsverwahrung wurde nicht angeordnet, ist jedoch vorbehalten. Das heißt, sie kann nach Verbüßung der Haftstrafe in einem neuen Verfahren verhängt werden. Bezüglich des Vorwurfs des versuchten Mordes an Ahmed I. wurde Ernst freigesprochen. Der als Mittäter angeklagte Markus H. wurde ebenfalls vom Vorwurf der Beihilfe freigesprochen. Er wird zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen Verstoß gegen das Waffengesetz verurteilt. Die nun folgende Urteilsbegründung von Richter Thomas Sagebiel soll rund zwei bis drei Stunden dauern.

Nach 44 Hauptverhandlungstagen ging damit der wohl bedeutendste Prozess der letzten Jahre zu Ende. Das Gericht sieht als erwiesen an, dass Stephan Ernst Walter Lübcke in der Nacht auf den 2. Juni 2019 erschossen hat und dabei - entgegen seiner Aussage -  alleine gehandelt hat. Er hatte die Tat gleich nach seiner Festnahme zuerst gestanden, dieses Geständnis aber angeblich auf Anraten seines damaligen Anwalts wieder zurückgenommen, um dann den Mitangeklagten Markus H. für den tödlichen Schuss auf Lübcke verantwortlich zu machen.

Im laufenden Prozess legte er schließlich ein neues Geständnis ab, in dem er die Verantwortung für den Schuss auf Lübcke übernahm, jedoch behauptete, die Tat zusammen mit Markus H. geplant und ausgeführt zu haben. Als Motiv nannte er Hass auf Lübcke, weil der sich für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen engagiert hatte.

Das Oberlandesgericht geht davon aus, dass Ernst die Tat aus niedrigen Beweggründen und heimtückisch beging - womit zwei Mordmerkmale erfüllt seien. Das Urteil im Mordfall Walter Lübcke ist - unter hohen Sicherheitsvorkehrungen - vor dem Frankfurter Oberlandesgericht gesprochen worden. Das Gerichtsgebäude wird von unzähligen Polizisten gesichert. Angeklagt waren  Stephan Ernst sowie Markus H. wegen Beihilfe zum Mord.

Die Verteidigung von Stephan Ernst hatte auf Totschlag, nicht auf Mord plädiert. Die Bundesanwaltschaft hatte die Verurteilung des 47-Jährigen zu lebenslanger Haft wegen Mordes gefordert, mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und anschließender Sicherungsverwahrung. Auch die Familie Lübcke, die im Prozess als Nebenkläger auftritt, forderte dieses Urteil. 

Der Kasseler Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke - Foto: Archiv
Der Kasseler Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke - Foto: Archiv
Vor Ort setzen sich die Menschen für Lübcke ein. - Foto: Moritz Pappert
Vor Ort setzen sich die Menschen für Lübcke ein. - Foto: Moritz Pappert

Für Markus H. hatte die Anklage neun Jahre und acht Monate Haft gefordert. Die Hinterbliebenen von Walter Lübcke wollten lebenslange Haft für ihn. Die Verteidigung von Markus H. plädierte auf Freispruch. Er habe "nichts zu bereuen", sagte sein Anwalt. Bereits im Oktober wurde Markus H. aus der U-Haft entlassen. H. hat sich an keinem der Prozesstage zu dem Mord geäußert. Stephan Ernst hat sich immer wieder für die Tat entschuldigt. Es tue ihm unendlich leid, was er der Familie angetan habe. Der psychologische Gutachter hatte diese Reue aber als gespielt beurteilt.

Mit außergewöhnlich großen Sicherheitsvorkehrungen hatte der lang erwartete Prozess um den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke im Juni 2020 begonnen. Medieninteresse und öffentliche Anteilnahme sind auch deshalb so groß, weil es in der Geschichte der Bundesrepublik der erste politisch motivierte Mord an einem Politiker seit den Zeiten der RAF ist. Über 200 Journalisten hatten sich für die Berichterstattung akkreditieren lassen, aber nur 19 von ihnen durften das Geschehen direkt im Gerichtssaal verfolgen. 41 weitere Journalisten sitzen in einem gesonderten Medienraum. Der abgesicherte Gerichtssaal ist der größte des Oberlandesgerichts. +++

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