MAIN-KINZIG-KREIS

Der Lockdown geht in die Verlängerung: Wie geht es den Unternehmen?

Die heimische Wirtschaft kämpft mit dem zweiten Lockdown. - Symbolbild: Pixabay.com


Montag, 30.11.2020
von JOANA SCHNEIDER

Der November geht zu Ende, doch der Lockdown dauert an. Aufgrund der hohen Infektionszahlen bleiben die von Bund und Länder beschlossenen Corona-Maßnahmen und Bestimmungen weiter bestehen – zum Leidwesen der Unternehmen. Denn seit Beginn der Pandemie fordert das Virus auch die Wirtschaft heraus und Gastronomie, Einzelhandel und auch Dienstleister-Betriebe müssen sich mit Schließungen, Kurzarbeit und Umsatzeinbrüchen arrangieren. Dr. Gunther Quidde, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern, weiß, wie es den über 25.500 Unternehmen im Main-Kinzig-Kreis mit der Krise geht.

Wie geht es der heimischen Wirtschaft?

Ganz unterschiedlich. Vielen kleinen Unternehmen, die personenbezogene Dienstleistungen anbieten, also von der Gastwirtschaft über das Fitnessstudio bis zur Nagelpflege geht es schlecht, denn sie mussten wegen des zweiten Lockdowns schließen. Viele Industrieunternehmen spüren fast keine negativen Auswirkungen, weil z. B. die Nachfrage aus China wieder gestiegen ist und die eigenen Mitarbeiter entweder im Unternehmen oder im Homeoffice voll arbeiten können, ohne sich um die Kindererziehung zu kümmern. Denn die Schulen bleiben diesmal ja offen. Das macht vieles leichter.

Um das mit Zahlen zu belegen: Wir haben unsere Mitgliedsunternehmen im September dieses Jahres – also bevor Details zum aktuellen Lockdown bekannt waren – und im Mai, als der erste Lockdown zu Ende ging, nach ihrer aktuellen Geschäftslage befragt. In der Industrie bezeichneten im September 14,8 Prozent ihre Lage als gut, im Mai nur 13,0. Im Baugewerbe waren es 28,6 Prozent gegenüber 33,3 Prozent im Mai, im Einzelhandel 41,7 Prozent - da waren es im Mai 0 Prozent! Und in der Gastronomie waren es jüngst nur 11,1 Prozent („schlecht“ sagten aber 55,6 Prozent) nach 0 Prozent im Mai (da nannten 100 Prozent die Lage „schlecht“). Der jüngste Lockdown, der vermutlich auch das Weihnachtsgeschäft treffen wird, wird die oft schon schwierige Lage im Handel und der Gastronomie weiter verschlimmern.


Dr. Gunther Quidde, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern - Archivfoto KN/Carina Jirsch
Dr. Gunther Quidde, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern - Archivfoto KN/Carina Jirsch
Archivfoto KN/Carina Jirsch
Archivfoto KN/Carina Jirsch

Wie äußert sich die Corona-Krise in den Unternehmen?

Ganz unterschiedlich. Am häufigsten fehlt das Geld, weil die Umsätze wegbrechen, aber z. B. die Miete weitergezahlt werden muss. Manchmal hören wir bei unseren Beratungen für Gastwirte, dass ihnen gute Mitarbeiter kündigen, weil sie seit Monaten nur Kurzarbeitergeld bekommen, aber anderswo z. B. als Pflegekräfte deutlich mehr verdienen. Richtig bitter ist es, wenn Unternehmen kräftig in Hygienekonzepte investiert haben, z. B. in Desinfektionsstationen, Plexiglasschutzwände, geschützte Speisekarten, ihre Investitionen aber nicht refinanziert bekommen, weil sie jetzt trotz aller Schutzmaßnahmen schließen müssen. Es gibt aber auch noch eine psychologische Komponente: Die meisten Selbständigen sind zu Recht stolz auf ihren Beruf und ihr Unternehmen und dass sie allein zurechtkommen. Wenn sie als „Solo-Selbständige“ jetzt eine Variante von Hartz IV beantragen müssen, dann trifft sie das ganz persönlich sehr hart.

Wie wichtig ist heutzutage die Online-Präsenz für Unternehmen?

In der Theorie könnte man sagen, dass das von der Zielgruppe abhängt: Der Gastronom mit Pizza-Service muss online sein, damit seine Kunden gerade im Lockdown per Smartphone bestellen können, der Industrie-Zulieferer dagegen hat seinen festen Kundenstamm und braucht das nicht. Aber vor wenigen Wochen bat uns ein Hanauer Hersteller von Hightech-Produkten um Unterstützung, weil in China seine Website samt Logo gefälscht worden waren. Wir sehen also: Online wird genutzt - wenn nicht von uns, dann von der Konkurrenz.

Ganz krass ist das im Einzelhandel: Hier entwickeln sich die Umsätze des Online-Handels seit Ende 2015 besser als die des stationären Einzelhandels, wie die Grafik des statistischen Bundesamts deutlich zeigt:

Foto: Statistisches Bundesamt (Destatis) 2020

Foto: Statistisches Bundesamt (Destatis) 2020

Nehmen wir ein aktuelles Beispiel: Vermutlich werden die Menschen auch in diesem Jahr viel Geld für Weihnachtsgeschenke ausgeben. Wenn aber sehr viel weniger Menschen als bisher zum Einkaufen dieser Geschenke in die Innenstädte ziehen werden, dann wird wohl der Online-Handel der Gewinner sein. Dass davon nur große Online-Händler profitieren, ist nicht gesagt. Denn auch kleinere Händler mit gutem Konzept können im Internet erfolgreich sein. Auch deshalb freue ich mich, immer öfter zu sehen, wie gerade kleine Unternehmen – auch aus der Gastronomie – sehr erfolgreich in den Sozialen Medien unterwegs sind: Das kostet teilweise weniger als eine Website, wirkt häufig authentischer und erreicht die Kunden oft noch besser.

Wie können die Unternehmen unterstützt werden und sich selbst helfen?

Unternehmerinnen und Unternehmer sind – wie der Namen schon sagt - Menschen, die etwas unternehmen. Die helfen sich am liebsten selbst und auch am besten. Denn sie kennen ihre Kunden und deren Bedürfnisse und reagieren darauf flexibel. Das reicht vom Herrenhemden-Hersteller, der jetzt Designer-Masken produziert bis zum Messebauer, der sein komplett eingebrochenes Messe-Geschäft wenigstens zum Teil durch den Bau tragbarer und hygienischer Plexiglas-Abtrennungen kompensiert. Ja: Hilfe wird gebraucht, um den vorüber gehenden Umsatzausfall zu überbrücken und Entlassungen zu vermeiden. Im Großen und Ganzen gelingt das ja auch. Trotzdem: Corona trifft viele Branchen brutal, besonders leiden kleinere und kleinste Unternehmen! +++

Neues Beliebtes
    Kontakt
    Kinzig.News Redaktion:
    Telefon:06051 833 712
    E-Mail: redaktion@kinzig.news
    Kinzig.News Vertrieb:
    Telefon:06051 833 711
    E-Mail: vertrieb@kinzig.news
    Kinzig.Termine