MAIN-KINZIG-KREIS

117. Europäischer Kulturweg in Hutten: Auf elf Kilometern Kultur und Natur erleben

Panoramablick Hutten - Fotos: Walter Dörr


Sonntag, 20.06.2021
von WALTER DÖRR

MAIN-KINZIG-KREIS - „Vom Landrücken in alle Himmelsrichtungen“ heißt der neueste europäische Kulturweg des Archäologischen Spessart-Projektes (ASP), der im Schlüchterner Stadtteil Hutten (mit Einbeziehung von Teilen des Stadtteils Elm) errichtet wurde. Ab dem heutigen Sonntag, 20. Juni, kann der Kulturweg bewandert werden. 

Am 14. Februar 2019 begann das Kulturweg-Projekt Hutten mit einem Informationsabend im Dorfgemeinschaftshaus. Katja Betz und Rainer Heinbuch hatten einen derartigen Wanderweg vorgeschlagen, nachdem sie den Kulturrundweg „Im Lande der Ritter von Hutten" in Altengronau gesehen hatten. Kultur auch in Hutten erlebbar und begreifbar machen, war ihr Ansinnen. Mehrheitlich beschloss die Versammlung, einen Europäischen Kulturweg zu initiieren und der gebildete Arbeitskreis mit Mitgliedern aus Hutten und Elm machte sich gleich an die Arbeit, recherchierte eifrig und trug Informationen für sieben großen und zehn kleine Tafeln zusammen, die jetzt in dem einheitlichen Design der Europäischen Kulturwege an den entsprechenden Stellen des Wanderweges stehen.

Helfer der Arbeitsgruppe
Helfer der Arbeitsgruppe

 117. Europäische Kulturwege hat das Archäologische Spessart-Projekt (ASP) seit 1999 konzipiert. Kulturwege werden jeweils mit den Bürgern der Regionen angelegt. ASP-Projektleiter „Europäische Kulturwege“ und vom Unterfränkischen Institut für Kulturlandschaftsforschung an der Universität Würzburg, Dr. Gerrit Himmelsbach (Aschaffenburg), lobte, wie toll es im Schlüchterner Stadtteil Hutten gelaufen ist. Mit viel ehrenamtlichem Engagement sei der Kulturweg schneller als geplant realisiert worden. Neben der geleisteten Arbeit der Arbeitsgruppe wurde das ambitionierte Projekt finanziell von Firmen und Privatpersonen gesponsert und auch unterstützt vom Archäologischen Spessart-Projekt e.V., EU-Projekt „Pathway to Cultural Landscape“, der Stadt Schlüchtern, Förderprogramm „Starkes Dorf-Wir machen mit“ der Hessischen Staatskanzlei und dem Main-Kinzig-Kreis. 

„Vom Landrücken in alle Himmelsrichtungen“

Außerdem erhielt man wissenschaftliche Beratungen in Sachen Geologie, Botanik, Biologie und Geschichte. Die offizielle Eröffnung mit persönlichen Führungen erfolgt coronabedingt erst am 1. August. Dann werden auch die QR-Codes freigeschaltet sein, mit denen kompetente Video-Informationen auf YouTube angesehen werden können. Arbeitsgruppenmitglieder haben die Info-Schilder aufgestellt, für die großen Tafeln bohrten die AG-Helfer die Fundamente und Mitarbeiter des Bauhofes der Stadt Schlüchtern betonierten sie ein. Hutten, auch als Bergdorf bezeichnet (420-500 m ü. NN), liegt auf dem Dach des Landrückens, daher auch der Kulturweg-Titel „Vom Landrücken in alle Himmelsrichtungen“. Geographisch ist der Landrücken zwischen Rhön, Spessart und Vogelsberg und bildet die Wasserscheide zwischen Main und Weser. Hutten liegt deshalb so genannten Bergwinkel. Geologisch spielt hier der Basalt als vulkanisches Gestein und ebenso wie Kohle oder Kalk eine Rolle. Auf der Route des Kulturweges (mit sieben Stationen), die mit gelben EU-Schiffchen auf blauem Grund markiert ist, erfahren die Wanderer von der Landschaftsentwicklung der letzten Jahrhunderte. Festes Schuhwerk ist erforderlich und die Wege sind nicht alle kinderwagengerecht. 

Hutten wurde 1137 erstmals urkundlich erwähnt. Heinrich von Hutten wird darin als Lehensnehmer eines Hofgutes in Hutten genannt. Heinrich von Hutten ist der erste bekannte Vorfahre der Adelsfamilie, die den Namen des Dorfes trägt. Der wohl bekannteste „Hutten“-Vertreter ist der Humanist und Dichter Ulrich von Hutten, der am 21. April 1488 auf der Burg Steckelberg bei Ramholz zur Welt kam. Der Elmbach in der Ortsmitte von Hutten war früher Sammelplatz des Viehs, das von dort auf die Weiden getrieben wurde. Der Name Hutten geht zurück auf das althochdeutsche „huoto“ (Weiden des Viehs). Der Wappenstein (Start und Ziel des Kulturweges), der heute da an der Bushaltestelle steht, stammt vom Lederhose-Berg. Das Huttener Wappen, das mit seinen goldenen Schrägbalken auf rotem Grund auf die Herren von Hutten sowie mit dem Schwanenflügel auf die Grafen von Hanau Bezug nimmt, wurde 1954 durch das Hessische Innenministerium als offizielles Wappen genehmigt. Unweit steht die Friedenslinde, die zur Erinnerung an den gewonnenen Krieg 1870/71 gegen Frankreich gesetzt wurde. 1764 wurde die Kirche, ein einfacher rechteckiger Barockbau, eingeweiht.

 Über dem ehemaligen Eingang eingemeißelt ist mit der Jahreszahl 1764 die Darstellung von zwei Engeln, die den hessischen Löwen halten. Aus der Erbauungszeit stammt im Innenraum noch die Kanzel. Erhalten sind auch Teile der historischen Innenbemalung von 1820/30. Mit einem neuen Sockel steht der Taufstein von 1587 seit 2002 wieder in der Kirche. Das älteste Schulgebäude gegenüber der Kirche wurde zwischen 1839 und 1842 errichtet. Hier befindet sich seit 5. September 1991 der genossenschaftliche Dorfladen „Unser Laden“, der im Rahmen der Dorferneuerung für die örtliche Nahversorgung realisiert wurde. In der „neuen“ Schule wurde 1973 der Schulbetrieb wegen mangelnder Schülerzahl eingestellt, und die Kinder werden fortan in Elm beschult. Mit dem Bau des Sportplatzes 1921 und des beheizten Freischwimmbades 1924 begann die Geschichte des heute beliebten Ausflugs- und Erholungsgebietes Heiligenborn. Seit Anfang der 1950er Jahre gibt es den Campingplatz. 

Auch ein stark frequentiertes Jugenddorf des Kreises Schlüchtern gab es seit 1949. Gegenüber am Landrücken befindet sich die Gemarkung „Lederhose“. Von hier hat man einen fantastischen Panoramablick zum Vogelsberg, in Richtung Fulda und die Rhön. Auf einer Panoramatafel ist eingezeichnet, was man sieht: vom Hoherodskopf, Monte Kali (Abraumberg der Zeche in Neuhof), Rauschenberg, Maulkuppe, Milseburg bis zur Wasserkuppe. Die Heimat- und Wanderfreunde Hutten haben speziell für Gäste auf dem Kulturweg eine Sitzgruppe gespendet. Bei den „auswärtigen“ Wanderstationen wird das Naturschutzgebiet „Am Stein“ im ehemaligen Steinbruch des Zementwerkes Elm besichtigt, das ehemalige Zementwerk selbst, der Bahnhof Elm, der bis 1914 das Nadelöhr Deutschlands war, tangiert, der 1870/71 gebaute Ebertsberg-Tunnel und der Ebertsberg, seit den 1980er Jahren Naturschutzgebiet mit seltenen Orchideen, Enziane, Silberdisteln und vielen Insekten- und Schneckenarten. Eine besondere Station ist Burg Brandenstein, eine mittelalterliche Burganlage, die vermutlich die Herren von Steckelberg bauten. 1278-1307 werden erstmals Herren von Brandenstein genannt. 

1519 kam es zur geschichtlich bedeutenden „Brandensteiner Fehde“, in Folge derer die Burg 1522 zerstört wurde. 40 Jahre später bauten die Hanauer Grafen in den Ruinen ein kleines Renaissanceschloss wieder auf. 1895 kaufte der württembergische General Gustav von Brandenstein das Anwesen als Familiensitz. Seit 1983 leben Dr. Constantin von Brandenstein-Zeppelin und seine Frau Ameli auf der Burg. Im alten Pferdestall hat Burgherrin Isa von Brandenstein ein umfangreiches Museum mit Gegenständen aus Holz eingerichtet. Im Torgebäude ist eine einmalige Sammlung zum Leben und Wirken des Japanforschers Philipp Franz von Siebold untergebracht.

 Über die Wüstung „Eschers“ führt der Weg zum Naturschutzgebiet Escherts mit besonderen geologischen Verhältnissen (Basalt, Muschelkalk, Tonschiefer) und besonderen Lebensraumtypen. Der Folder mit Infos und der Wanderstrecke liegt in Deutsch, Englisch und Französisch am Startpunkt in der Huttener Ortsmitte und im Dorfladen bereit und ist auch im Büro für Touristik, Kultur und Freizeit der Stadt Schlüchtern erhältlich.

Burg Brandenstein
Burg Brandenstein
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