Bahnstrecke Hanau-Würzburg/Fulda: Bürgermeister üben Schulterschluss
Freitag, 01.10.2021
FULDA/MKK - Beim geplanten Ausbau der Bahnstrecke Hanau-Würzburg/Fulda üben die Bürgermeister Mark Bagus (Kalbach), Dominik Brasch (Bad Soden-Salmünster), Matthias Möller (Schlüchtern) und Christian Zimmermann (Steinau an der Straße) weiterhin den Schulterschluss. Bei einem Erörterungstermin mit Vertretern der Deutschen Bahn als Projektträger sowie Vertretern der Regierungspräsidien Darmstadt und Kassel machten die Bürgermeister ihre Positionen deutlich.
Unter anderem reagierten sie mit Unverständnis darauf, dass die Bahn Belange – wie zum Beispiel bei der kommunalen Siedlungsentwicklung – nur unzureichend berücksichtigt und zudem regionalplanerische Zielvorgaben für unbedenklich erklärt. Hervorgehoben wurde hingegen stets die Wichtigkeit des Projektes. Die vier Bürgermeister sind sich einig: Dies dürfe nicht zur Vernachlässigung der Interessen der Bürgerinnen und Bürger ihrer Kommunen führen.
Eingriffe in das Natura-2000-Netz
Deshalb hatten sich die Kommunen bei dem Erörterungstermin Unterstützung von Diplom-Geograph Wulf Hahn von der Fachagentur RegioConsult sowie von Rechtsanwältin Dr. Franziska Heß (Baumann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB) geholt. Heß und Hahn erläuterten der Raumordnungsbehörde, dass das gewählte methodische Vorgehen für die Beurteilung der Eingriffe in das Natura-2000-Netz den nationalen und europäischen Rechtsprechungsvorgaben widerspricht. Daher müsse die Raumordnungsunterlage zum Natura-2000-Netz vollständig neu bearbeitet und dem Regierungspräsidium Darmstadt sowie der Öffentlichkeit erneut vorgelegt werden.
Weiteres Thema war die Trinkwasserversorgung vor allem von Steinau an der Straße, Schlüchtern und Kalbach, die durch den Ausbau der Bahnstrecke beeinträchtigt werde.
Die zeitliche Umsetzung wurde seitens der Raumordnungsbehörde, dem federführenden Regierungspräsidium Darmstadt, thematisiert. Eine Realisierung des Projekts sei danach wohl erst frühestens in zehn Jahren zu erwarten. Für Irritationen sorgte in diesem Zusammenhang eine Bemerkung des Projektträgers zu betroffenen Laubwäldern, die bis zur Realisierung abgeerntet sein könnten.
Letztlich konnten die Gemeinden Kalbach, Bad Soden-Salmünster, Steinau an der Straße und Schlüchtern eine Vielzahl an Punkten durch deren fachlichen und rechtlichen Berater vorbringen, die so in die weitere Prüfung des Regierungspräsidiums Darmstadt aufgenommen werden können. Die Stadt Schlüchtern hatte ebenfalls eine umfangreiche Stellungnahme durch die Rechtsanwälte Andreas Ruckelshausen und Jonas K. Friedrich (Ludwig Wollweber Bansch Rechtsanwälte Partnerschaft) gegenüber der Raumordnungsbehörde vorgebracht.
Die Statements der Bürgermeister
Mark Bagus (Kalbach): "Ich begrüße ausdrücklich die
Zusammenarbeit der vier von den Antragsvarianten IV und VII
gleichermaßen stark betroffenen Kommunen. Gemeinsam mit unseren Partnern
habe ich noch einmal mit Nachdruck auf unsere bereits umfangreich
formulierten Einwendungen im Rahmen des Raumordnungsverfahren aufmerksam
gemacht. Begleitet durch fachlich versierten gutachterlichen und
juristischen Sachverstand wurden speziell für die Gemeinde Kalbach noch
einmal wesentliche kritische Sachverhalte herausgestellt.
Dazu
zählen die zu erwartenden Beeinträchtigungen der künftigen
Siedlungsentwicklung, exemplarisch im Bereich 'Büchenberger Straße –
Bornhecke' in Mittelkalbach. Hinzu kommen die erheblichen
Lärmbelastungen für die Kalbacher Bevölkerung. Dies gilt für den Verlauf
der langjährigen Bauphase durch Baulogistik und Transportverkehr, aber
auch später bei der Nutzung der Neubaustrecke durch zusätzlichen
Güterverkehr, ganz besonders in den Nachtstunden. Letzteres würde für
Kalbach 116 Güterzüge zu Nachtzeiten bedeuten. Darüber hinaus haben wir
auch die Probleme im Bereich der Grundwasserversorgung sowie natur- und
umweltschutzrechtliche Belange angeführt. Wir werden das laufende
Planungsverfahren weiterhin sehr kritisch begleiten und haben beim
Erörterungstermin unsere ablehnende Haltung zu den beiden
Antragsvarianten IV und VII verdeutlicht."
Dominik Brasch (Bad Soden-Salmünster):
"Der Schulterschluss der von der Antragsvariante IV am stärksten
betroffenen Kommunen war der richtige Schritt. Ich freue mich, dass wir
gegenüber der Vorhabenträgerin gemeinsam unsere Interessen vertreten und
für die Belange unserer Bürgerschaft einstehen. Dies muss von der
Raumordnungsbehörde nicht nur zur Kenntnis genommen werden, sondern wir
fordern eine sehr kritische Auseinandersetzung mit den eingereichten
Raumordnungsunterlagen der Deutschen Bahn. Unsere Gutachter und Juristen
haben, wie zuvor schon der Gutachter des Main-Kinzig-Kreises, Mängel in
der Methodik und unberücksichtigte und falsch bewertete Belange der
Kommunen aufgegriffen. Diese dürfen unter keinen Umständen ignoriert
werden.
Für unsere Stadt wurden beispielsweise entscheidende
Siedlungserweiterungsflächen nicht berücksichtigt. Bei einer Umsetzung
der Antragsvariante würde dies mit einem Entwicklungsstopp für mehrere
Jahre und Jahrzehnte einhergehen. Dies ist für uns nicht akzeptabel,
beschneidet uns dieser Punkt doch maßgeblich in der Weiterentwicklung
unserer Kommune.
Eine Bewertung des Kling- und Hirschbachtals als
'schutzwürdige Landschaft mit Defiziten' erschließt sich niemandem, der
diese Bereiche einmal ernsthaft betrachtet hat. Eine umfangreiche
Durchfahrung von Vorranggebieten für den Hochwasser- oder
Heilquellenschutz bedeutet ein hohes Risiko, das mit der Prüfung einer
Trassenverlegung hätte aufgegriffen werden können."
Matthias Möller (Schlüchtern): "Wir
begrüßen den Verbund aus Steinau, Kalbach, Bad Soden-Salmünster und
Schlüchtern. Nur mit gebündelter Kraft und Fachexpertise können wir uns
rechtzeitig und bestmöglich im jetzigen Stadium des Verfahrens
einbringen. Denn wir wollen für unsere Bürgerinnen und Bürger den
höchstmöglichen Schutz erzielen.
Zwei riesige Brückenbauwerke
und erheblicher Baustellenverkehr würden während der Bauphase zu enormen
Belastungen im gesamten Stadtgebiet führen. Beim aktuellen
Planungsstand würde Schlüchtern erheblich beeinträchtigt. Sollte eine
der vorgeschlagenen Trassenvarianten IV oder VII wie geplant umgesetzt
werden, laufen wir Gefahr, dass unsere angestoßene Innenentwicklung
erheblich beeinträchtigt wird. Mit unserer gemeinsamen Kraftanstrengung
versuchen wir mit zahlreichen Einsprüchen alles, um das Verfahren in
eine Richtung zu drehen, die für alle Beteiligten verträglicher ist."
Christian Zimmermann (Steinau):
"Meine Aufgabe ist es, mich für die Bürgerinnen und Bürger sowie für
die Schutzgüter aller Art einzusetzen. Dies gilt für die Trassen IV und
VII. Besonders die Schutzgüter Mensch, Natur, Trinkwasser sowie
Stadtentwicklung liegen mir am Herzen. Die Teilnahme an
Erörterungsterminen ist enorm wichtig, um Einwände zu erbringen und auf
diese zurückgreifen zu können." (pm)