Kirmes in Sinntal

Breunings ist "ein dolles und tolles Dorf"

Buntes Treiben bei der Kirmes in Breunings. - Fotos: Walter Dörr


Mittwoch, 10.08.2022
von WALTER DÖRR

SINNTAL - Die Kirmes in Breunings ist jeweils die erste im östlichen Main-Kinzig-Kreis. Die Feuerwehr richtet sie im Dorfgemeinschaftshaus und auf dem Spielplatz davor aus. Als Heimat-Kirmes bezeichnete die Wehr diesmal das traditionelle Fest.

Nach dem stimmungsvollen Auftakt am Samstag mit DJ Joh, war am Sonntag nach dem Kirmesgottesdienst das Aufsagen des Kirmesspruches der Höhepunkt. Von Ortsvorsteher Bernd Löffert holte der 9-köpfige Bloo den buntgeschmückten Strauß ab und brachte ihn zum Dorfgemeinschaftshaus. Die lautstarke Marschmusik spielte nicht live ein Musikverein, sondern der Bloo führte einen Verstärker mit Box mit, aus der die Blasmusik dröhnte. Weil der Hessische Rundfunk kürzlich mit einem Fernsehteam in dem kleinsten Sinntaler Ortsteil Breunings für den Wettbewerb „Dolles Dorf“ war, ergänzte Jahrhundert-Bloobursch Jürgen Eyring den diesjährigen Kirmesspruch und berichtete, dass für das Fernsehteam spontan ein nicht zu toppendes Programm zusammengestellt wurde – auch ohne den Ortsvorsteher und seine Stellvertreterin, die beide in Urlaub waren.

Sex, Schnaps, Spielabbruch

Bevor Oberbloo Christopher Flinner die Dorfchronik 2021 vorlas, gedachte man dem verstorbenen Feuerwehr-Gönner Horst Otto. Weil es nur noch einen „Überbleib-sel-Bloo“ in Breunings gibt, kritisierte Flinner: „Auch bei uns macht sich der Fachkräftemangel breit, einige sein net meh für e dörfliches Beisammensein bereit.“ Deshalb verteilte man buntgeschmückte Bloo-Strohhüte an Kinder, die potenzielle Blooburschen und Mädchen in 2030 und später sein können. Ein heikeles Sex-Thema vom letztjährigen Kirmessonntag ließ die Gäste von diesem Jahr aufhorchen. Da war nämlich von einem „Flittje vom Degenfelder Bloo“ die Rede, die „sich nach recht viel Schnapps, gesehnt hat nach em Gejuggel im Raps“. Nicht nur ein „Opfer“ habe sie im Laufe des Tages gefunden nach dem Motto: „Schürze rauf un Hose eine, und los gings mit dem Geschweine.“

Der Spielabbruch des Sportvereins gefiel einem Fan nicht und nach einem lautstarken Wortgefecht führten ihn die Platzordner weg. Dem „Raudi“ überreichte der Bloo ein „SG Breunings-Neuengronau Ultras“-T-Shirt. Eine Ölspur von einem Auto eines Breuningsers, der sein Fahrzeug aus einer Werkstatt in Altengronau geholt hat, sorgte für den Einsatz von zwei Feuerwehren. Ein besonderer Hilfeeinsatz war auch eine Bussard-Rettungsaktion. Weil sich der Vogel nicht bewegte, wurden per Sirenenalarm Feuerwehren mit drei Fahrzeugen, die Drehleiter von Brückenau sowie ein Tierarzt alarmiert.

"Ein dolles und tolles Dorf"

Aufregung gab es auch bei einem jungen Schweinezüchter, der einen Zettel an der Tür fand, auf dem mit aufgeklebten Zeitungsbuchstaben stand, dass Ferkel entführt wurden und nur mit einer Zahlung von 800 Euro wieder gebracht würden. Kurz bevor von dem aufgeregten Züchtern die „Polizei, BKA, FBI und Europol“ alarmiert wurden, klärte die Mutter den Streich von Dorfkumpels auf. Unverständnis zeigte der Bloo dafür, dass Neubürger die „Duftbelastung“ durch Landwirtschaft und die Tierwelt beklagen.

Von einem Heiratsantrag, einem waghalsigen Sprung eines verliebten Breuningsers in den Biberweiher und einem bei Mondschein erlegten schweren Keiler, dessen Bergung zu einem Unfall des helfenden „Oberfeuerwehrmännjes“ führte, war im Kirmesspruch enthalten. Ortsvorsteher Bernd Löffert dankte nochmals allen, die bei der „Dolle Dorf-Aktion“ mitgemacht haben. Stolz sei er auf ein dolles und tolles Dorf Breunings.

Eine kleine Reise in die Vergangenheit

Idealismus und Gemeinschaftssinn zeigten 1952 die noch nicht einmal 300 Bürger von Breunings (der kleinste Ortsteil von Sinntal) und bauten ihre Friedenskirche. Die Grundsteinlegung war am 7. September. Wie es zu dem Gotteshaus kam, darüber berichteten 1952 auch überregionale Medien und sogar das Radio.

Auf einer im Fundament der östlichen Kirchturmecke eingemauerten Urkunde steht, dass sich Breunings in der schweren Nachkriegszeit zum Bau einer Kirche entschlossen habe, nachdem Probst Wilhelm Wibbeling aus Langenselbold und Dekan Richard Jung aus Schlüchtern „zu einem vertrauensvollen Beginnen aufgerufen hatten”. Die Gottesdienste wurden damals in einem Betsaal in der im Jahre 1720 erbauten Dorfschule gehalten. Weil sich der Fußboden in dem Raum nach der Ostseite zwölf Zentimeter gesenkt hatte, und man den Einsturz befürchtete, fassten die Kirchenvorstände von Breunings und Sterbfritz am Vorabend des Reformationsfestes 1951 den Beschluss, eine eigene Kirche zu bauen.

Auch die Gemeindevertretung von Breunings befürwortete das Vorhaben. In einer Gemein-deversammlung am 29. November 1951, bei der alle Haushaltsvorstände anwesend waren, machte Pfarrer Georg Friedrich Reber in aller Deutlichkeit auf die großen Schwierigkeiten und die bedeutenden Opfer auf-merksam, die eine Realisierung des Vorhabens bringen würde. Was in ihren Kräften steht, wollten aber alle Bürger arbeiten. Es wurde Pläne geschmiedet und diskutiert, was unentgeltlich geschafft werden kann, damit der große Wunsch in Erfüllung geht. Am 20. Juni 1952 war man sich einig: eine Kirche mit einem Turm gehört mitten ins Dorf. Einen Bauantrag reichte man ein und wartete fortan ungeduldig auf dessen Genehmigung.

Ende Juli kam aber ein Gegenvorschlag vom Staatsbauamt in Wiesbaden, dass der Turm einen rechteckigen Grundriss haben sollte und ein modernes flaches Dach. Dem stimmten die Breuningser aber nicht zu und bauten einfach munter los. 42 Männer und acht Fuhrwerke waren am ersten Samstag im Einsatz. Die Grundsteinlegung am 7. September erfolgte höchstoffiziell in Anwesenheit des Landrats und der Sterbfritzer Polizei - obwohl die Baugenehmigung noch fehlte. Am 8. Oktober wurde Richtfest gefeiert - noch immer keine Baugenehmigung. Ein Einschreibebrief, in dem sich Regierungsbaurat Braune „in der nächsten Woche” zu einem Ortstermin ankündigte, schockte zunächst die „Schwarzbauer“, doch dann trat ihre Schlitzohrigkeit wieder zutage: der Rohbau musste in fünf Tagen fertig sein.

Wie auf einem Ameisenhaufen wurde geschuftet. Während die einen schon das Dach eindeckten, mauerten andere den Turm hoch. „Fristgerecht” war der Bau fertig und picobello sauber für den hohen Besuch. Wenige Tage später steuerten zwei noble Mercedes-Karossen auf Breunings zu und am Dorfeingang fragte man einen Bauern, wo denn die Kirche gebaut werden solle. „Dort steht sie doch”, erhielten die verblüfften Herren zur Antwort. Nur kurz war dann deren Besuch, ohne dass sich, wie geplant, das ganze Dorf versammeln konnte. Die Herren gingen und die Kirche blieb. Die Fertigstellung des Rohbaus meldeten die Breuningser dem Staatsbauamt und baten um eine Abnahme. Vergebens. Erst vier Monate nach der Einweihung am 1. und 2. August 1953 wurde die Baugenehmigung gegen Entrichtung der Gebühr von 206 Mark zugesandt. Eine Endabnahme des Kirchenbaus gab es nie.

77.772,13 Mark (doppelt so viel, wie kalkuliert) zuzüglich 4.705,20 Mark für Glocken kostete den Breuningser ihre Kirche. An Eigenleistung erbrachten die Gemeindeglieder 13.295 Mark, 12.348 Mark gingen an Sachspenden ein, 3.600 Mark erbrachte eine Haussammlung und über 6.500 Mark konnten als Geldspenden vereinnahmt werden. Breunings gehört mit Züntersbach, Oberzell, Sterbfritz, Neuengronau, Altengronau, Jossa und Steinau-Marjoß zur evangelischen Christugemeinde in Sinntal und Marjoß. Im Jahre 907 wird Breunings als Pruninges erstmals urkundlich erwähnt.

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