Exklusiv-Interview: Früherer CDU-General verteidigt Merkels Russland-Politik

Freitag, 17.02.2023
von MORITZ PAPPERT
GELNHAUSEN / BERLIN - Der Gelnhäuser Politiker Dr. Peter Tauber war Generalsekretär der Bundes-CDU (2013 bis 2018) zu Zeiten der Flüchtlingskrise. Als Generalsekretär war er so nah wie kaum ein anderer an der ehemaligen CDU-Vorsitzenden und langjährigen Bundeskanzlerin (2005 bis 2021) Angela Merkel. Nun traf KINZIG.NEWS-Reporter Moritz Pappert Tauber zum Interview und sprach mit ihm über das Erdbeben in der Türkei, den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, die Russland-Politik Merkels und die Zögerlichkeit der aktuellen Ampel-Regierung.
KINZIG.NEWS: Wie schätzen Sie die aktuelle politische Situation mit Krieg und dem Erdbeben in der Türkei ein?
Peter Tauber: "Es wäre jetzt einfach, wenn ich als ehemaliger CDU-Generalsekretär auf die Bundesregierung schimpfe, aber das ist zu leicht. Für die Ampel sind manche Entscheidungen nicht leicht, weil sie weit entfernt sind, von dem, was diese Parteien in normalen Zeiten vertreten haben. Ich versuche auch meine eigene Perspektive zu hinterfragen. Die Bundesregierung macht nicht alles falsch. Unsere Außenministerin macht das aus meiner Sicht gut. Zum Glück haben wir nun einen neuen Verteidigungsminister, da wird man aber abwarten müssen. Aber natürlich gibt es berechtigte Kritik an der Bundesregierung. Es gibt keine Antwort auf die große Zahl an Flüchtlingen, es werden kaum neue Wohnungen gebaut, obwohl die Bundesregierung pro Jahr 400.000 neue Wohnungen versprochen hat und wo die fehlenden Arbeitskräfte herkommen sollen, ist auch unklar. Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine muss man sagen: Wir haben zu Beispiel viel zu lange gebraucht, um der Ukraine zu helfen. Das ist nicht nur für die Ukraine schlecht. Hier gibt es eine immense Erwartungshaltung in Europa, dass die Deutschen mehr tun. Gut hingegen fand ich die schnelle Hilfe für die Erdbebenopfern in der Türkei."
Braucht hier die Bundesregierung mehr Mut?
"Gerade vom Kanzler würde ich mir mehr Kommunikation wünschen. Wenn er nichts sagt und schweigt, das verunsichert die Menschen. Manchmal hat man das Gefühl, er weiß selbst nicht so recht, was er will. Und das ist keine gute Sache. Wenn man ein Land führt, bedeutet das, Menschen Orientierung zu geben und Mut zu machen. Also auch mal sagen, wir haben ein Problem, aber wir vertrauen auf unsere Kraft und wir schaffen das zusammen. Das Wort von der Zeitenwende war richtig, aber was folgt daraus? Mehr Geld für die Bundeswehr ist doch nicht die Antwort. Es wird sich so viel mehr absehbar ändern. Darauf muss man die Menschen vorbereiten. Wir müssen erkennen, dass unsere Freiheit und die Art zu leben von fremden Mächten wie Russland und China herausgefordert wird. Wenn wir weiter so leben wollen wie bisher, dann werden wir etwas tun müssen. Da wünsche ich mir in der Tat von der Bundesregierung mehr Mut."
Was würde Angela Merkel zur aktuellen Situation sagen?
"Das ist eine gute Frage, da müsste man sie fragen. Ich glaube aber, sie würde sehr viel Kraft darauf verwenden, Europa zusammenzuhalten. Wir gehen jetzt in das zweite Kriegsjahr. Die Russen werden nochmal eine Offensive starten. Ich habe die Sorge, dass wir zu spät sind mit unseren Panzerlieferungen. Wir haben zu lange gebraucht in der Diskussion. Sollten die Russen diesmal erfolgreicher sein, dann werden wir in Europa eine Debatte bekommen, ob und wer zu wenig getan hat für die Ukraine. Da stehen wir Deutschen nicht gut da. Unser Ansehen bei den Verbündeten und Partnern leidet jetzt schon.
Angela Merkel war es immer wichtig, dass unsere europäischen Partner sich auf uns verlassen können. Darum ist auch das Reden von einem deutsch-russischen Dialog so töricht. Unsere Freunde in Polen und im Baltikum haben mehrfach erlebt, dass Deutsche und Russen über ihre Köpfe hinweg über ihr Schicksal verhandelt haben. Wir sollten darauf achten, dass Polen, Tschechen, Slowaken und die baltischen Völker für uns wichtiger sind als Russland und uns auch so verhalten. Das wusste Angela Merkel bei aller Dialogbereitschaft mit Russland immer richtig einzuschätzen.“
Was denken sie, wie sich der Krieg entwickelt?
"Ich glaube, dass Putin keinen Grund hat, aufzuhören. Und dass es eine Illusion ist, dass Frieden mit Putin auf Dauer möglich ist. Jedes Nachgeben wird von den Russen als Schwäche interpretiert. Nur Stärke hält Rußland davon ab, den Krieg weiter zu eskalieren. Das war in der Geschichte, auch im Kalten Krieg immer so."
Denken Sie, man muss sich in Deutschland fürchten vor dem Krieg?
"Es gibt ja immer diese Sorge vor einem Atomkrieg, aber das halte ich für kein realistisches Szenario. Aber wir müssen uns fürchten, wenn die Ukraine verliert. Wir müssen verstehen, dass Putin eine Niederlage als Einladung für den nächsten Krieg verstehen wird. Und dann greift er nach dem Baltikum. Das bedeutet einen großen Krieg in Europa und dem wir für unsere Freiheit werden kämpfen müssen. Auch deshalb ist ein Sieg der Ukraine in unserem Interesse."
Nächste Woche erscheint bei KINZIG.NEWS ein weiteres Interview mit Dr. Peter Tauber. Themen: Sein neues Buch, sowie Mut und Zuversicht in der Gesellschaft.