Kräfte bündeln & Verantwortung übernehmen

Lebhaftes Podiumsgespräch in der Martin Luther Stiftung Hanau

Redeten Tacheles in der Pflegeakademie (v.l.n.r): Robert Erkan, Maximilian Bieri, Horst Rühl, Claudia Brinkmann-Weiß, Christoph Degen - Fotos: Martin Luther Stiftung Hanau


Mittwoch, 31.05.2023

HAUNAU - Politik trifft Pflege: Unter dieser Überschrift hatte die Martin Luther Stiftung Hanau (MLS) am Internationalen Tag der Pflege Vertreter der Kommunalpolitik eingeladen. Dieser weltweite Aktionstag wird dazu genutzt, die Öffentlichkeit auf die Situation der Pflege aufmerksam zu machen. 

In der Pflegeakademie der Stiftung waren zu Gast: Dr. Maximilian Bieri, Bürgermeister der Stadt Hanau, der Landtagsabgeordnete Christoph Degen, Robert Erkan, Stadtverordneter der Stadt Hanau sowie Claudia Brinkmann-Weiß, Dezernentin für Diakonie und Ökumene in der Evangelischen Kirche Kurhessen Waldeck. Unter der Moderation von Horst Rühl, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen, diskutierten die vier zum Beispiel die aktuell angespannte finanzielle Situation vieler Pflegeeinrichtungen. Viele Träger befänden sich in einer negativen Endlosschleife, erläuterte Rühl: 

"Es herrsche große Personalnot, gleichzeitig aber müsse ein bestimmter Mitarbeiterschlüssel erfüllt werden, sonst seien die Häuser gezwungen, Wohnbereiche zu schließen. Dies wiederum führe zu finanziellen Einbußen. Hinzu kämen langwierige Pflegesatzverhandlungen, die eine Vorfinanzierung der erheblich gestiegenen Betriebs- und Personalkosten notwendig machten und damit die Träger in die Knie zwängen. Allein in den vergangenen vier Monaten haben mehr als 250 Pflegeeinrichtungen und Ambulante Dienste Insolvenz angemeldet. Das ist ein wirkliches Alarmsignal und sollte ein Weckruf für die Politik sein.“ 

Eine gute Versorgung ist wichtig

Dazu befragt betonte Maximilian Bieri, er stehe als Sozialdezernent der Stadt für schnelle und faire Verhandlungen, ihm seien in Richtung Main-Kinzig-Kreis jedoch bis zur Kreisfreiheit die Hände gebunden. „Aber Hanau hat natürlich ein Interesse an gesunden Trägern und einer gut aufgebauten Altenpflege. Eine gute Versorgung ist wichtig.“ In dem Punkt pflichtete ihm auch Claudia Brinkmann-Weiß bei: Sie plädierte für eine steuerfinanzierte Pflege, denn so etwas gehöre zur öffentlichen Daseinsfürsorge. Robert Erkan nannte Pflege nicht nur eine politische, sondern eine gesellschaftspolitische Aufgabe. 

„Wir müssen über Verantwortung reden und das gemeinsam machen – Bund, Land und Kommunen. Die Handlungsfelder müssen besser geregelt werden.“ Zustimmung kam dazu auch von Christoph Degen: Für ihn sei nicht nur einmal im Jahr „Tag der Pflege“. Vielmehr gelte es, gemeinsam eine Lobby zu organisieren, auch, damit Zeitarbeit verhindert werden könne. „Was können wir tun? Wir brauchen Pflegemindeststandards, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Qualifizierungen“, so Degen. 

Zeitarbeit ist nicht die Lösung!

Dass Zeitarbeit nicht nur zu Unruhe beim festen Personalstamm führe, sondern sich auch in der praktischen Ausbildung negativ bemerkbar mache, erklärte der Koordinator Zentrale praktische Ausbildung in der MLS, Sascha Lippert: Feste Ansprechpartner seien für die Auszubildenden extrem wichtig. MLS-Vorstandschef Thorsten Hitzel riet jedoch von einer kompletten Abschaffung von Leiharbeit ab. Gerade im ländlichen Raum seien die Einrichtungen oft auf flexible Kräfte, zum Beispiel für Nachtschichten, angewiesen. Hitzel: „Was wir brauchen, ist ein guter Mix. Das Problem, dass es keine Refinanzierung gibt. Ansonsten könnten wir beispielsweise einen Mitarbeiterpool aufbauen und mit flexiblen Boni arbeiten.“ Die Überbürokratisierung, so kritisierten sämtliche Teilnehmer der Talkrunde, lasse der Pflege in jeder Hinsicht zu wenig Raum für ihr Kerngeschäft. 

Ob es in der Dokumentation in den Wohnbereichen, in der Finanzierung oder auch bei der Rekrutierung von Pflegekräften aus dem Ausland sei –der administrative Aufwand sei überproportional. Die Pflegeakademie der Martin Luther Stiftung geht das Thema „Qualifizierung ausländischer Fachkräfte“ inzwischen offensiv an: Seit März können Pflegekräfte aus dem Ausland, deren Abschluss in Deutschland nicht anerkannt wird, einen Kurs aus mehreren Modulen besuchen, an dessen Ende eine sogenannte „Kenntnisprüfung“ steht. 

In ihrem Schlusswort betonten die Gäste aus Politik und Kirche einhellig, der Pflegeberuf verdiene nicht nur eine Aufwertung seines Images, sondern es brauche politische Unterstützung, um die Krise in der Pflege ins Bewusstsein der Öffentlichkeit und der Entscheidungsträger zu rücken. Es müsse zwingend zeitnah einen Pflegegipfel geben, in dem die Kräfte gebündelt würden. (red)

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