Das muss gefeiert werden

Eine Meisterleistung der Huttener: Seit 1924 ein eigenes Schwimmbad

Im 830-Seelen-Dorf Hutten, heute ein Stadtteil von Schlüchtern, gibt es im Landschaftsschutzgebiet Heiligenborn seit 1924 ein Freibad. - Fotos: Walter Dörr


Montag, 01.07.2024
von WALTER DÖRR

SCHLÜCHTERN - Im 830-Seelen-Dorf Hutten, heute ein Stadtteil von Schlüchtern, gibt es im Landschaftsschutzgebiet Heiligenborn seit 1924 ein Freibad – harmonisch eingebettet im Feriengebiet mit dem Feriendorf, dem Wochenendhausgebiet, dem Sportgelände und dem Campingplatz. 100 Jahre ist ein Grund, am kommenden Wochenende zu feiern.

Am Samstag, 6. Juli, 15 Uhr, finden Vorführungen der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft und Feuerwehr Hutten statt. Um 18 Uhr wird die Fußball-Europameisterschaft im Schwimmbad gesehen. Ab 20.30 Uhr spielt die Band "Soundaholigs“. Der Sonntag, 7. Juli, beginnt um 10.45 Uhr, mit einem Gottesdienst mit der Band „No Notes“. Auch zum Mittagessen ab 11.30 Uhr gibt es musikalische Unterhaltung mit der Band „No Notes“. Um 14 Uhr sind Synchronschwimm-Vorführungen und ab 14.30 Uhr gibt es Kaffee und Kuchen. Der offizielle Festakt mit Ansprachen der Gäste erfolgt um 15 Uhr. Um 16 Uhr spielt der Eisenbahner Musikverein 1908 Elm. Zum Kinderprogramm am Nachmittag gehören auch Zaubereien von Käptn Ballon. Aus Anlass des 100jährigen Schwimmbad-Jubiläums haben Katja Betz, Nicole Winhold und Rainer Heinbuch die wechselhafte Geschichte zusammengeschrieben.

Von Anfang an wird das Schwimmbad von der Heiligenborn-Quelle gespeist. Nach dem 1. Weltkrieg wurde in der Weimarer Republik mit der Einführung des 8-Stunden-Arbeitstages eine lang bestehende Forderung der Arbeiterbewegung erfüllt und die Möglichkeit der   Freizeitgestaltung verbessert. 1920 wurde im Heiligenborn schon ein erstes Schwimmbad in Eigenleistung in primitiver Ausführung gebaut - es glich eher einem Tümpel.

Vom Tümpel zum ersten beheizten Freibad der Region


Weil damals insbesondere Jugendliche oft nicht schwimmen konnten, unterstützte die Weimarer Republik Sport- und Turnvereine sowie Bade- und Schwimmastalten. Auch in Hutten gab es einen Badefonds als staatliche Hilfe. Der sportbegeisterte Lehrer Röße, der 1923 aus Kassel an die Dorfschule Hutten versetzt wurde, lehrte Schwimmen im Sportunterricht. Röße regte bei der Gemeindeverwaltung die Vergrößerung des vorhandenen Schwimmbades in zeitgemäßer, massiver Bauweise an. Die Gemeinde ging auf den Vorschlag ein und errichtete ein neues, größeres Bad an gleicher Stelle.

Schon 1924 konnte das neue Schwimmbad im Rahmen eines Sportfestes eingeweiht werden. Dabei pflanzte man am Schwimmbad eine Eiche, die die Huttener im Gedenken an den Lehrer „Röße-Eiche“ nannten. Die Baukosten des Schwimmbades musste Hutten übrigens „vorstrecken“, bis die Staatshilfen eintrafen. In Eigenleistung und mit Unterstützung durch arbeitslose Huttener baute man noch ein schlichtes Umkleidehaus in Holzbauweise. Fertigstellung 1925. Nicht immer war es für die Kinder und Jugendliche eine Freude, sich in dem doch sehr kühlen Nass zu ertüchtigen, denn im Schwimmbecken fühlten sich auch Enten, Frösche und andere Bewohner wohl.

Badespaß mit Enten und Fröschen


In einer Lederschlaufe an einer Holzstange oder mithilfe von Korkstreifen lernten die Kinder schwimmen. Im 2. Weltkrieg wurde das Umkleidehaus zerstört und das Schwimmbecken stark beschädigt. Die Schäden wurden in der Nachkriegszeit notdürftig repariert. Im Jahr 1962 drohte erstmals die Schließung des Bades durch das Gesundheitsamt des Landkreises Schlüchtern. Grund der behördlichen Anordnung waren allgemein die schlechten Wasser- und Hygienebedingungen sowie die Verunreinigung des Badewassers durch Exkremente von Tieren und durch die Blätter von Bäumen. Aufgetretene Hepatitis-Krankheitsfälle zwangen das Kreisgesundheitsamt, das Schwimmbad zu schließen.

In den Nachkriegsjahren errichtete der Landkreis Schlüchtern unweit des Schwimmbades das Jugenddorf „Hutten-Heiligenborn“. Hier sollten sich durch die Kriegswirren vernachlässigte Jugendliche aus ganz Deutschland aber auch Westeuropa bei Sport und Spiel in der Abgeschiedenheit der Natur - und auch im nahegelegenen Schwimmbad - erholen. Eine dauerhafte Schließung des Schwimmbades wollte die Gemeindeverwaltung Hutten verhindern, da das Bad auch gerne von den Nachbardörfern Gundhelm, Veitsteinbach, Vollmerz und Elm genutzt wurde. Also musste eine Sanierung her.

Die Gemeinde Hutten und der Landkreis Schlüchtern beauftragten im Dezember 1963 das Ing. Büro Nemetz & Ruess aus Kilianstädten mit der Planung und einem Kostenvoranschlag. Das Kreisbauamt hatte anhand der einreichten Planung keine Bedenken gegen die Errichtung des neuen Freibades, die Sportkommission sprach sich aber für eine verkleinerte Bauweise des Beckens mit einer reduzierten Beckentiefe und ohne Sprungturm aus. Der Kreisausschuss folgte der Empfehlung und genehmigte mit Beschluss vom 5.10.1964 den Freibadumbau. Die kalkulierten Kosten der Erneuerung betrugen 205.000 Mark und sollten mithilfe eines Sportförderprogramms des Landes Hessen finanziert werden (Land Hessen (Sportförderprogramm Rot-Weiß) 140.000 DM, Landkreis Schlüchtern 25.000 DM und Gemeinde Hutten 40.000 DM).

Gesamtkosten 79.000 Mark teurer


Zwanzig Jugendliche aus fünf Westeuropäischen Ländern beteiligten sich an Vorbereitungsbauarbeiten. Das „Aufbauwerk der Jugend“ in Marburg organisierte den Aufenthalt. Am 5.7.1966 begann die Schlüchterner Firma Jökel-Bau mit den Bauarbeiten, die bereits 1967 fertiggestellt waren. Das modernste und einzige beheizte Schwimmbad im Umkreis kostete 284.000 Mark. Am 1.7.1967 wurde das Schwimmbad durch den Hessischen Innenminister Heinrich Schneider, den Landrat des Kreises Schlüchtern Dr. Wolfgang Seibert und Huttens Bürgermeister Peter Löffert unter großer Beteiligung der Bevölkerung eingeweiht. Die Gemeinde Hutten stellte ab 1.6.1967 Otto Hahn aus Göttingen als Bademeister ein. Sein Monatsgehalt betrug 400 Mark und dafür musste er auch die Einrichtung und den Betrieb eines DLRG-Stützpunktes sorgen.

Im ersten Jahr kamen über 10.000 Gäste in das Bad. Nach dem Tod von Otto Hahn folgte im April 1968 August Müller aus Hutten als Bademeister, von 1975 bis 1994 war Karl Spahn aus Hutten Bademeister und führte zusammen mit seiner Frau Sieglinde auch den Kiosk. Nach mehreren Bademeisterwechseln folgte 1999 mit Ilse Knöll  erstmals eine Bademeisterin. Durch die Eingemeindung Huttens zur Stadt Schlüchtern 1969 ging die Trägerschaft des Bades auf die Stadt über. In 1995 drohte erneut die Schließung des Schwimmbades, diesmal aus Kostengründen. Bauunterhaltungsmaßnahmen wie der Wechsel von Filteranlagen und der Austausch von Pumpen waren notwendig.

Großes Engagement des Fördervereins


Zur Erhaltung des Schwimmbades gründeten 1996 Huttener und Gundhelmer Bürger den Förderverein Huttener Schwimmbad e.V. Der Förderverein entlastet seitdem die Stadt. Nach einem Jahr Sanierungsarbeiten wurde das Bad am 5.7.1997 wieder eröffnet. In 1998 konnte der Verein bereits 80 Mitglieder verzeichnen und wuchs bis heute auf 180 an. Durch die immer wiederkehrenden politischen Anträge im Stadtparlament Schlüchtern zur Schließung des Bades motiviert, hat der Förderverein seine Eigenleistung und Arbeitseinsätze stetig gesteigert. So wurde in 2005 ein Beachvolleyballfeld errichtet und 2007 erhielt der Förderverein vom Rosenbad Fulda eine 11 Meter lange Wasserrutsche geschenkt, die vom Förderverein in Eigenleistung in Hutten montiert wurde. Aquajogging- und Zumba-Kurse gehören seit 2010 zum Angebot des Fördervereins.

Seit 2016 verfügt das Freibad über eine vom Förderverein beschaffte und in Eigenleistung montierte Photovoltaikanlage, die der Stadt Schlüchtern unentgeltlich überlassen wurde. Im Schwimmbad ist zudem seit 2016 kostenloses W-Lan verfügbar. In 2022 erfolgte eine umfassende Sanierung der Umkleide– und Sanitäranlagen sowie des Chlorgasraumes. Der Förderverein übernimmt die Kosten für die Ausbildung vereinseigener Rettungsschwimmer, die den Bademeister unterstützen.  Der Förderverein des familienfreundlichen und gemütlichen Bades engagiert sich auch bei sozialen Projekten. So kommen die Heinrich-Hermann-Schule Schlüchtern und die Gesamtschulen Mittelkalbach und Neuhof einmal im Jahr in das Huttener Schwimmbad. Dieser Ausflug der Schulen wird durch freiwillige Helfer des Fördervereins betreut, indem fehlende Barrierefreiheit durch diesen freiwilligen Einsatz der Vereinshelfer des Fördervereins ausgeglichen wird.

Trotz immer wiederkehrender Personalprobleme der Schwimmbadaufsicht und mehrfachem Pächterwechsel im Kiosk, ist es dem Förderverein gelungen, den Badebetrieb doch aufrechtzuerhalten. Gerade in der heutigen Zeit, in der immer mehr Schwimmbäder schließen und Kinder und Jugendliche - wie vor 100  Jahren - nicht mehr schwimmen können, ist die Aufrechterhaltung des Schwimmbades Hutten ein wichtiger  Beitrag für unsere Gesellschaft.

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