IHK spricht sich für Verbleib Hanaus im Kreis aus
Dienstag, 10.03.2020
HANAU - Mit einer deutlichen Mehrheit von 72 Prozent hat sich die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern auf ihrer Sitzung am Montagabend dafür ausgesprochen, dass Hanau Teil des Main-Kinzig-Kreises bleibt. Für eine Kreisfreiheit votierten im Parlament der regionalen Unternehmer 17 Prozent, die restlichen Mitglieder enthielten sich. Die Befürworter und Gegner der Auskreisung waren sich einig, dass es für ihr jeweiliges Urteil vor allem darauf ankam, wie man die voraussichtlichen Kosten und den zu erwartenden Nutzen für das Gemeinwohl gewichtet. Weitgehende Einigkeit bestand auch in der Bewertung, dass die Kreisfreiheit insbesondere für Hanau den Vorteil böte, sich öffentlich besser positionieren zu können.
An der Abstimmung nahmen 29 anwesende Mitglieder der 40-köpfigen Vollversammlung teil. Voraus gegangen war eine intensive Auseinandersetzung mit der Absicht der Stadt Hanau, den Main-Kinzig-Kreis zu verlassen. Dahinter steht die Überzeugung, dass Veränderungen in Verwaltungsstrukturen, ihren Kosten und ihrer Finanzierung Auswirkungen auf die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts haben werden und damit das Gesamtinteresse der Wirtschaft unmittelbar berühren. Deshalb hatten sich die Mitglieder der IHK-Vollversammlung seit Dezember 2018 in insgesamt fünf Sitzungen mit dem Thema auseinander gesetzt. Höhepunkte waren der Gedankenaustausch mit Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky am 4. Dezember des vergangenen Jahres und am vergangenen Montag eine zweieinhalbstündige Diskussion mit Landrat Thorsten Stolz.
Im Zentrum der nüchtern und sachlich geführten Diskussionen standen sowohl die Chancen als auch die Risiken einer Auskreisung Hanaus. Bei den Chancen ragten zwei Argumente heraus: Ein kreisfreies Hanau kann sich viel besser gegenüber Investoren präsentieren und ein Main-Kinzig-Kreis ohne Hanau kann sich deutlich stärker auf die Entwicklung des ländlichen Raums am Rande der prosperierenden Metropolregion FranfurtRheinMain konzentrieren. Die Mitglieder der Vollversammlung hatten sich im Laufe ihrer Beratungen auch mit den verschiedenen Gutachten zum Thema auseinander gesetzt. Viele von ihnen leiteten daraus ab, dass durch eine Aufsplittung der Aufgaben des Sozialamts sowie des Kommunalen Centers für Arbeit insgesamt mehr Personal als bisher benötigt werden wird.
Auch wenn dies teilweise zu einer besseren Betreuung der Betroffenen und zu einer Reduzierung der Langzeitarbeitslosigkeit in Hanau führen kann, fürchteten die meisten Vollversammlungsmitglieder die dadurch zu erwartenden Mehrkosten, die insbesondere in Zeiten einer sich eintrübenden Konjunktur durch Steuererhöhungen zu finanzieren wären. Da die Unternehmen über die Gewerbe- und Grundsteuern die kommunalen Haushalte maßgeblich finanzieren, drohen durch ein kreisfreies Hanau Steuererhöhungen, welche ihrerseits die Kosten der Unternehmen steigen lassen, was wiederum Wettbewerbsnachteile mit sich bringen würde. Allseits bedauert wurde, dass es der Landesregierung bisher nicht möglich ist, eine belastbare Prognose über die aus einer Auskreisung resultierenden Änderungen im Kommunalen Finanzausgleich vorzulegen. Denn dieser stellt eine weitere wichtige Finanzierungsquelle aller Gebietskörperschaften dar.
HK-Präsident Dr. Norbert Reichhold fasste das Ergebnis der Diskussionen und der Abstimmung zusammen: „Der Zug in Richtung Kreisfreiheit Hanaus ist zwar abgefahren, aber noch lange nicht im Bahnhof angekommen. Unsere Vollversammlung hat sich mit dieser Verwaltungsangelegenheit sehr gründlich auseinander gesetzt. Das zeigt sich unter anderem daran, dass manche Hanauer Unternehmer für einen Verbleib des Oberzentrums im Landkreis votierten und dass manche Unternehmer aus dem Raum Gelnhausen und Schlüchtern für Hanaus Kreisfreiheit stimmten. Es wird Aufgabe des Hessischen Landtags sein, die Folgen für das Gemeinwohl abzuwägen. Ich bin mir sicher, dass die Stimme der Wirtschaft gehört werden wird. Die Vollversammlung steht für einen Dialog bereit.“
Gedenken an Terroropfer in Hanau
Zu Beginn der Sitzung hatten die Mitglieder des 40-köpfigen, höchsten IHK-Gremiums mit einer Schweigeminute der Opfer des Anschlags vom 19. Februar gedacht. IHK-Präsident Dr. Norbert Reichhold dankte allen Unternehmen, die auf vielfältige Weise ihre Trauer um die Opfer und ihre Entschlossenheit, für unsere weltoffene Gesellschaft einzutreten, zum Ausdruck gebracht hatten.
Neu ins Präsidium der IHK wurde zudem der Hanauer Unternehmer Dr. Sven Spieckermann gewählt, Vorstand der SimPlan AG, einem IT-Spezialisten rund um Simulationslösungen für Produktions- und Logistikprozesse. Er folgt auf Bernhard Beck, Unternehmensberater aus Biebergemünd. Der über 60-Jährige will sich künftig stärker auf seine zahlreichen Mandate im In- und Ausland fokussieren. Abschließend tauschten sich die Vertreter der regionalen Wirtschaft über die Auswirkungen der Corona-Epidemie und geeignete Gegenmaßnahmen aus. (pm)+++