FRANKFURT AM MAIN / VOGELSBERG

Die Sache mit der Wasserknappheit: der Unmut im Vogelsberg wächst

Wasser für das Rhein-Main-Gebiet trotz knapper Ressourcen im Vogelsberg - Archivbilder: KN / Luisa Diegel


Mittwoch, 22.07.2020
von LUISA DIEGEL

FRANKFURT AM MAIN / VOGELSBERG - Der Sommer zeigte sich bislang nicht von seiner besten Seite. Das Wetter ist wechselhaft, Temperaturen um die 30 Grad sind eher eine Seltenheit. Dennoch ist im Vogelsbergkreis seit Ende Mai die Wasserentnahme aus Gewässern verboten. Niedrige Wasserstände lassen es bis heute nicht zu, Wasser aus Gewässern zu entnehmen. Dennoch wird bis auf Weiteres das Vogelsberger Wasser in das Rhein-Main-Gebiet gepumpt. Hintergrund ist ein Konflikt, dessen Wurzeln bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen.

Mit dem Bau der ersten Wasserleitung im Jahre 1887 ins Rhein-Main-Gebiet nahm alles seinen Anfang. "Eine damals geplante katastrophal hohe Wasserförderung von 120 Mio. m³ /Jahr konnte zwar verhindert werden, dennoch wurden bis ins Jahr 1985 noch 60 Mio. m³ Wasser befördert - auch entgegen erster Widerstände im Vogelsberg – was zu dauerhaften Schäden führte", erklärt die Schutzgemeinschaft Vogelsberg. Nun hat der gestiegene Wasserbedarf der Ballungsgebiete und der Klimawandel weitere Spuren hinterlassen, die zu immer mehr Protesten in der Region führen - der Widerstand der Vogelsberger wächst. 

Kreistag: Eigenversorgung soll Vorrang haben

Der Vogelsberger Kreistag hat bereits im August 2018 ein Leitbild für ein integriertes Wasserressourcen-Management im Rhein-Main-Gebiet verabschiedet. Darin ging es unter anderem um die Einführung ökonomischer Instrumente zum Ausgleich von Umwelt- und Ressourcenkosten und Sicherstellung einer zukunftsfähigen Wasserversorgung. Zudem soll die Eigenversorgung Vorrang vor einer Ausweitung des Fernwasserbezugs haben. Festgeschrieben ist zudem eine umwelt- und ressourcenschonende Grundwassergewinnung.

Stadt Frankfurt weist Vorwürfe von sich

Der Unmut der Vogelsberger wird immer größer, dass wertvolles Trinkwasser ins Rhein-Main-Gebiet fließt. Ist dies sogar der Auslöser für die Wasserknappheit? Die Stadt Frankfurt weist diese Vorwürfe zurück: "Für die Wasserknappheit im Vogelsberg ist nicht die Stadt Frankfurt am Main verantwortlich, sondern sicher in erster Linie die durch den Klimawandel verursachte Trockenheit", erklärt uns Martin Müller vom Umweltamt Frankfurt. "Darunter leidet auch Frankfurt. Unter anderem müssen deswegen junge Straßenbäume gewässert werden. Die würden ohne Bewässerung absterben. Die Bewässerung geschieht zwar zum Teil mit Trinkwasser, aber beispielsweise auch aus insgesamt 26 Brauchwasser-Zapfstellen an den Bächen und Flüssen", informiert er. 

Außerdem sei die generell zunehmende Verwendung von Brauch- und Grauwasser statt Trinkwasser nicht nur ein erklärtes Ziel der Stadt Frankfurt am Main, sondern Gegenstand von verschiedenen Initiativen und konkretem Handeln, um den Verbrauch von Trinkwasser zu reduzieren. "Die Stadt Frankfurt bezieht ihr Trinkwasser im Übrigen natürlich nicht nur aus dem Vogelsberg, sondern ebenso aus dem Hessischen Ried sowie aus eigenen Brunnen im Stadtwald und aus Oberflächenwasser aus Main und Rhein, das über Infiltrations- bzw. Aufbereitungsanlagen zur Grundwasseranreicherung auf Frankfurter Stadtgebiet genutzt wird."

Der Vogelsberger Landrat Manfred Görig
Der Vogelsberger Landrat Manfred Görig
Die Wasserentnahme aus Gewässern ist seit Mai im Vogelsbergkreis verboten.
Die Wasserentnahme aus Gewässern ist seit Mai im Vogelsbergkreis verboten.
Ulrichsteins Bürgermeister fordert das Rhein-Main-Gebiet auf, ressourcenschonender mit dem Vogelsberger Wasser umzugehen.
Ulrichsteins Bürgermeister fordert das Rhein-Main-Gebiet auf, ressourcenschonender mit dem Vogelsberger Wasser umzugehen.

Land Hessen: "Ohne Vogelsberg Versorgung nicht möglich"

Die Frankfurter sind auf das Waser im Vogelsberg angewiesen, wie das hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz erklärt: "Die Wasserversorgung im Rhein-Main-Gebiet - in dem etwa 3,6 Millionen Menschen leben - ist ohne die Inanspruchnahme des Grundwasservorkommens im Vogelsberg nicht möglich." Die Vorgaben des Grundwasserbewirtschaftsplanes seien jedoch so gesteuert, dass grundwasserbeinflusste Vegetationsstandorte und Wälder nicht gefährdet werden und die Trinkwasserversorgung sichergestellt werden kann.

Die Forderung der Schutzgemeinschaft ist klar:

Die Forderung der Schutzgemeinschaft ist klar:

Trinkwasserversorgung über Tanklaster

Doch dass es mit der Wasserversorgung im Vogelsberg nicht immer tadellos klappt, zeigt ein Beispiel aus 2018: Etwa 1.000 Ulrichsteiner saßen wortwörtlich auf dem Trockenen. Denn das Trinkwasser, welches aus Schürfquellen gewonnen wird, reichte in dem Trockensommer nicht mehr aus, sodass die Bevölkerung der Kernstadt monatelang mittels Tankwagen versorgt werden musste. Aus benachbarten Brunnen in Helpershain und Unter-Seibertenrod mussten täglich etliche Lkws 60 Kubikmeter Wasser in die Stadt bringen - und das kostete die Stadt ganze 60.000 Euro.

Aktuell kommt das Wasser immer noch aus den Schürfquellen - "die geben etwa sieben Kubikmeter Wasser in der Stunde her", wie uns Bürgermeister Edwin Schneider erklärt. Jedoch bräuchte die Stadt für die komplette Wasserversorgung neun Kubikmeter. "Deshalb bekommen wir zwei Kubikmeter aus dem Nachbarwasserwerk." Bislang wurden die Tanklaster also nicht gebraucht - doch falls es in den nächsten Tagen und Wochen wieder trockener wird, "könnte das durchaus wieder passieren", so der Bürgermeister.

Auch der Ulrichsteiner Rathauschef fordert im Kampf gegen die Grundwasserentnahme aus dem Vogelsberg, dass das Rhein-Main-Gebiet endlich ressourcenschonender mit dem wertvollen Wasser aus dem Vogelsberg umgehen. "Gemeinsam mit der Schutzgemeinschaft Vogelsberg fordern wir eine zweite Hochwasserleitung bei Neubauten und dass sich das Gebiet selbst mehr um die Wasserversorgung kümmert." +++

Neues Beliebtes
    Kontakt
    Kinzig.News Redaktion:
    Telefon:06051 88770 230
    E-Mail: [email protected]
    Kinzig.News Vertrieb:
    Telefon:06051 88770 180
    E-Mail: [email protected]
    Kinzig.Termine