Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: Maria durch ein Dornwald ging

Dienstag, 22.12.2020
von STEFAN BUSS
REGION - Das Lied "Maria durch ein Dornwald ging" gehört wohl zu den schönsten Adventsliedern. Wenn dieses Lied gesungen wird, dann ist Weihnachten nicht mehr weit. Ursprünglich war es aber kein Adventslied, sondern ein regionales Wallfahrtslied. Mitte des 19. Jahrhunderts war es im katholischen Eichsfeld verbreitet.
Den Hintergrund dieses Liedes bildet eine biblische Szene, nämlich der Besuch Marias bei Elisabeth (Lk. 1, 39 - 45). Der Begegnung der beiden Frauen gehen bei Lukas zwei Geburtsankündigungen voraus. Beide, Maria und Elisabeth werden auf außerordentliche und wunderbare Weise schwanger. Elisabeth ist eigentlich viel zu alt, außerdem gilt sie als unfruchtbar (Lk. 1,7), um überhaupt noch ein Kind zu bekommen, biologisch, menschlich gesehen unmöglich. Und ist doch schon im sechsten Monat. Maria fragt den Engel "Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?" (Lk. 1, 34) Sie erschrickt bei der Botschaft, die der Engel ihr bringt und überlegt, was all das zu bedeuten hat. Dann aber –spricht sie ihr Ja: "Mir geschehe, wie du es gesagt hast." (Lk. 1, 38) Gut 100 Km beträgt die Wegstrecke von Nazareth nach Ain Karim 6 km von der Jerusalemer Altstadt entfernt, wo der Priester Zacharias mit seiner Frau Elisabeth wohnte. Ein langer Weg übers Gebirge. Kein Spaziergang!
Ein mühevoller Weg, sehr beschwerlich und nicht ungefährlich. Im Lied steht für die Hindernisse, Anstrengungen und Gefahren das Bild vom "Dornwald". Wer von uns kennt nicht die Erfahrungen, die hinter dem Bild vom "Dornwald" stecken? Das Gestrüpp des Alltags, ein undurchdringlicher Wust. Der Dornwald – das ist auch unserer Welt mit all ihren Widersprüchlichkeiten, Widerständen und Grausamkeiten. Der Dornwald steht für Isolation und Beziehungslosigkeit.
"Maria ist nicht allein"
Der Dornwald – das sind die dunklen Stunden, die Stunden der Hilflosigkeit, der Ohnmacht, die Stunden der Angst. Wie oft gibt es das auch in unserem Leben? Tausend Gründe, um zu resignieren. Situationen, in denen sich unser Lebensraum verdunkelt und uns Angst überkommt, Zukunftsangst, Existenzangst. Situationen, in denen wir uns nicht mehr zurechtfinden, ohne Orientierung sind, nicht mehr ein und aus wissen. Das Adventslied zeigt uns, woran wir uns halten können. Maria zeigt es uns: an Gottes Erbarmen. Maria, die genauso unterwegs ist im Dornwald der Welt wie wir, sie ist unsere Schwester. Marias Leben war über weite Strecken ein geprüftes Leben. Doch Maria ist nicht allein. Sie geht mit Jesus, der verborgen in ihr gegenwärtig ist.
"Maria durch ein Dornwald ging": ein Lied der Verheißung, ein Lied der Hoffnung, ein Lied, das Zuversicht schenkt. Denn es rechnet damit, dass Unmögliches möglich wird. "Für Gott ist nichts unmöglich." (LK. 1, 37) Da sind vielleicht auch in meinem Leben Möglichkeiten, an die ich noch gar nicht gedacht habe; Perspektiven, die mir noch gar nicht in den Blick gekommen sind. +++