"Betonbrutalismus der 50er und 60er Jahre"

Verein Stadtbild fordert "schlüssiges Konzept" für Marktplatz-Bebauung

So stellt sich der Verein Stadtbild Deutschland die Gestaltung der Neustädter Rathauszeile vor. - Fotomontage: Verein Stadtbild


Mittwoch, 11.08.2021

HANAU - Die Renovierungsarbeiten am Neustädter Rathaus nimmt der Verein Stadtbild Hanau zum Anlass, ein schlüssiges Konzept für die Bebauung am Marktplatz einzufordern. Die Stadt müsse sich wieder der historischen Bedeutung der Neustädter Rathauszeile bewusstwerden. Der Verein schlägt deshalb vor, spätestens nach Abschluss der laufenden Bauarbeiten planerisch die Neugestaltung dieser Marktplatzseite anzugehen. Der derzeitige Zustand entspreche nicht einmal der ursprünglichen Gestaltungsidee nach dem Krieg.

Wie der Sprecher von Stadtbild Hanau, Reinhard Hühn, in einer Pressemitteilung darlegt, verkörperten die das historische Rathaus umgebenden Verwaltungsbauten weiterhin den "Betonbrutalismus" der 50er und 60er Jahre. Dieser müsse durch schöpferische Neubauten, die sich am ursprünglichen Stadtbild orientierten, korrigiert werden. Der Verein erinnert an die ursprüngliche geschlossene Häuserfront, die durch den Bombenangriff vom 19. März 1945 zerstört wurde.

Rathaus in Häuserzeile einbinden

Im September soll das Baugerüst am Neustädter Rathaus verschwinden.  - Archivfoto: Stadt Hanau

Im September soll das Baugerüst am Neustädter Rathaus verschwinden. - Archivfoto: Stadt Hanau

Das Neustädter Rathaus wurde aus dem Zusammenhang der übrigen Bebauung gerissen und steht seither verloren am Marktplatz. Stadtbild Deutschland setzt sich dafür ein, das Neustädter Rathaus wieder in die Häuserzeile einzubinden und so das traditionelle Fassadenbild wiederherzustellen. Es sei zwar löblich, dass das Neustädter Rathaus im Zuge der Renovierung  nunmehr Sprossenfenster erhalte, was von Stadtbild begrüßt wird. Doch appelliert der Verein an das Geschichtsbewusstsein der Verantwortlichen.

Die heutige Neustädter Rathauszeile entstand nach den Wiederaufbauplänen des Architekten Prof Theo Pabst aus Darmstadt. Er hatte, wie er formulierte, die "erlösende Idee", das historische Rathaus "freizustellen". Die Abkehr von der ursprünglichen geschlossenen Häuserzeile mit Torbögen sei durch diese damals avantgardistisch erscheinende Planung zementiert worden, führt der Verein aus.

Genau fünfzehn Jahre nach der Zerstörung der Neustädter Rathauszeile, am 19. März 1960, gab der Darmstädter Planer dem "Hanauer Anzeiger" ein Interview zu seiner Gesamtkonzeption. Die heute noch vorhandenen Betonblöcke links und rechts des Rathauses sollten keinesfalls ein stehendes Dach erhalten, sondern mit einem Flachdach versehen werden. Die damals moderne Materialität des Betons sollte mit der alten sandsteinernen Rathausfassade konkurrieren.

In Harmonie bringen


Durch eine architektonische Übergangsgestaltung sollten die Blockbauen mit der angrenzenden Bebauung in Harmonie gebracht werden. Im Innenhof auf der Rückseite des Rathauses war ein Durchgang zur rückseitigen Langstraße vorgesehen. Somit sollte das freistehende Rathaus von allen Verkehrsräumen begehbar sein. Vorgesehen war weiterhin, den Marktplatz mit unterschiedlichem Plattenbelag in drei Zonen aufzuteilen. Ein hervorgehobener weißer Plattenbelag war um das Neustädter Rathaus mitsamt dem Brüder Grimm-Denkmal geplant und damit auch eine deutliche Betonung des alten Rathauses.

Schon bei der Errichtung des Rathausbaues und schleichend in den folgenden Jahrzehnten wurden die grundlegenden Elemente des Planungskonzeptes über Bord geworfen: Keine Zonierung des Marktplatzes mit einem weißen Plattenbelag, Verschließung des Durchgangs zur rückseitigen Langstraße durch die Einrichtung des bisherigen Stadtladens sowie der Verzicht auf die architektonische Übergangsgestaltung zu den angrenzenden Nachbarhäusern. Schließlich wurden die für das Gestaltungskonzepts so bedeutsamen Flachdächer beseitigt und durch blecherne Trapezdächer ersetzt.

"Was ist von der integrierten Gestaltung der Neustädter Rathauszeile der 1960er Jahre geblieben? Nur noch die Waschbetonfassaden links und rechts des Rathauses und damit ein sprichwörtlicher Scherbenhaufen der 1960er Architektur", so der Verein Stadtbild. (pm)

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