Wo die Liebe ist, da ist auch Gott – Die Geschichte des Schuhmachers Martin
Mittwoch, 15.12.2021
von STEFAN BUß
FULDA/MKK - "Wo die Liebe ist, da ist auch Gott." Manche von Ihnen werden diese Erzählung von Leo Tolstoi (russ. Schriftsteller 1828 – 1910) kennen: Ein Schuhmacher namens Martin trauert um sein einziges Kind. Da hört er die Stimme Christi, der ihm verspricht, er werde morgen zu ihm kommen.
Am nächsten Tag sitzt Martin den ganzen Tag am Fenster und wartet. Verschiedene Menschen kommen vorbei: Zuerst ein alter Mann, der vom Schneeschaufeln erschöpft ist. Danach kommt eine Soldatenfrau mit einem kleinen Kind, beide am Erfrieren. Der dritte Besuch ist eine alte Frau, die mit einem Gassenjungen um einen gestohlenen Apfel streitet. Martin spricht mit allen und gibt ihnen zu trinken und zu essen.
Diese drei Menschen waren Christus, aber Martin weiß es nicht. Erst durch die abendliche Lektüre der Stelle aus dem Matthäus-Evangelium erkennt er in seinen Besuchern Christus. "Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan" (Mt. 25,40). Was Leo Tolstoi in seiner Erzählung wunderbar darstellt, ist die natürliche, absichtslose und spontane Hilfsbereitschaft, mit der dieser einfache Schuhmacher Martin den Menschen hilft. Der Wunsch, Jesus zu begegnen, macht ihn zwar aufmerksamer für die Menschen vor seinem Fenster. Der Grund für seine Hilfe ist aber nur einfach liebevolle Menschlichkeit.
Jede Absicht, sich mit dem eigenen Handeln einen Platz im Himmel zu sichern, würde die gute Tat eher entwerten als adeln. Vielmehr kann der Mensch beim Endgericht vor Gott bestehen, der zeitlebens bereit war, sich vom Leid anderer Menschen anrühren zu lassen und bereit war zu helfen. Die Botschaft für den heutigen Menschen aus der Geschichte Leo Tolstois kann nur lauten: "Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan." – und zwar im Blick auf alle Notleidenden in einer Welt, die zu einem Dorf geworden ist.