Auftakt der interkulturellen Wochen: "Syrien im Herzen und Deutschland im Blick"
Sonntag, 01.09.2019
von Gelnhäuser Neue Zeitung
GELNHAUSEN - Bereits zum 44. Mal stehen im Main-Kinzig-Kreis die Interkulturellen Wochen mit mehr als 50 Veranstaltungen vom 1. bis zum 30. September auf dem Programm. Mit „Syrien im Herzen und Deutschland im Blick“ fand die Reihe am Samstag einen perfekten Auftakt in der Ehemaligen Synagoge in Gelnhausen. Lebensgefühl, Wissen über unterschiedliche Kulturen und das gemeinsames Lachen brachten an diesem Abend viele Menschen näher zusammen.
„Lassen Sie uns weiter gemeinsam an der Integration arbeiten und auch manchmal darüber streiten“, gab die erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler nicht nur für die 44. Interkulturellen Wochen im Main-Kinzig-Kreis, sondern auch zum Zusammenleben von 150 verschiedenen Nationalitäten unter den mehr als 410000 Einwohnern vor. „Integration ist wie eine Brücke“, verwies Simmler darauf, dass diese von zwei Seiten gebaut werden müsse. Dafür brauche es viele Menschen, die bereit sind, Unterschiede beiseite zu schieben und die Gemeinsamkeiten zu suchen. Allerdings müsse auch klar sein, dass es in Deutschland Grundlagen und Konstanten wie die Gleichberechtigung und einem friedlichem Miteinander gebe, die unverrückbar sind. Susanne Simmler dankte den vielen Menschen aus verschiedensten Kulturen, die sich zwischen Maintal und Sinntal dafür ehrenamtlich einsetzen. Für den Kreisausländerbeirat bedankte sich Klearchis Aliferis für die gute Zusammenarbeit. Er sei froh, dass die Zeiten vorbei sind, in denen es keine großen Bestrebungen zur Integration gab. Man dürfe aber auch nicht vergessen, dass dadurch in den 60er und 70er Jahren viele Chancen verpasst wurde.
Eine herausragende Rolle in der Arbeit mit und für Flüchtlinge spielt seit vielen Jahren der Friedensverein Palmyra aus Schlüchtern. Die Mitglieder von Palmyra gaben mit Musik, Tanz und Kunst einen Einblick in das Leben in Syrien, das an der Grenze zwischen drei Kontinenten in der Geschichte eine ganz besondere Rolle spielte und bis heute spielt. „Wir versuchen Flüchtlingen so gut zu helfen, wie wir es können“, berichtete die Vorsitzende Dr. Fajer Klüh den Besuchern in der Ehemaligen Synagoge. Einige hätten im Malen ihren Weg gefunden, die Sprachbarriere zu überwinden und ihre Gefühle zu zeigen. Unter den Künstlern ist eine Frau, die als Flüchtling aus dem Irak nach Syrien kam und letztlich auch von dort vertrieben wurde. Hinter jedem Menschen, der in Deutschland Schutz suche, stehe eine eigene Geschichte. „Syrien im Herzen und Deutschland im Blick“ passe auch perfekt zur Vereinsarbeit. Denn seit einigen Monaten erarbeite sich der Verein Kontakte in Syrien, um direkt vor Ort helfen zu können.
„Zu unseren Gemeinsamkeiten gehört das Lachen. Jetzt lachen wir zusammen“, leitete Moderatorin Elena Lazaridou zu Allaa Faham und seinem „German Livestyle“ über. „Ich bin im Januar 2015 nach Deutschland gekommen. Ich habe gemerkt, dass aus Unkenntnis nicht nur Angst, sondern auch Hass entstehen kann“, erklärte der junge Mann. Mit seinem Freund Abdul Abbasi drehte der Student Filme, die auf humorvolle Weise die Unterschiede zwischen Syrern und Deutschen aufgriff. „In Syrien ist es höflich, nein zu sagen, wenn etwas angeboten wird“, startete er. „Und es ist höflich, immer wieder anzubieten.“ Das sei in Deutschland ganz ganz anders. „Mein deutscher WG-Partner hat mir Schokolade angeboten. Ich habe natürlich nein gesagt. Danach hat er die Schokoladen gegessen. Ich war in den ersten Monaten sehr sehr hungrig“, scherzte der Künstler. Ein Bekannter habe nicht in deutschen Geschäften eingekauft, weil er „Tschüss“ und „Scheiße“ verwechselte. „Ich bin jetzt vier Jahre in Deutschland. Und es gibt immer wieder einen neuen Kulturschock“, fühlt er sich weiter wie neu im Land. Mit dem Buch „Eingedeutscht“ versuche er mit Abdul Abbasi möglichst viele Menschen zu erreichen und über den Humor zusammen zu führen. „Alle Deutschen sind Nazis“, startete er in die Liste der zehn größten Vorurteilen gegenüber Deutschen. Er habe aber schon lange gemerkt, dass Deutsche nicht nur Kartoffeln essen, ohne Bier nicht leben könnte oder immer pünktlich sein müssten. „Vor allem in der Ausländerbehörde.“ Während alle Besucher lachten, wechselte er das Land. „Alle Syrer sind Terroristen“, startete in die zweite Liste. Sie seien frauenfeindlich, kämen immer zu spät und hätten mindesten 20 Kinder und vier Frauen. „Das alles sind Vorurteile. Aber wir wollen nicht verallgemeinern.“ Allaa Faham berichtete von den Anrufen seiner Mutter. „Wie geht es dir ? Was hast du gegessen ?“, wollte sie aus der Ferne wissen. Und tatsächlich waren es auch immer wieder Kartoffelgerichte, von denen Allaa Faham erzählen musste. Mit seinem bunten Einblick in Unterschiede und Gemeinsamkeiten zeigte sich, dass sich das
Lachen der Kulturen doch sehr sehr ähnlich anhört. Und so war es im Anschluss auch bei Musik, Tanz und gutem Essen. Der Mensch, egal welcher Kultur, genießt gerne. Und an diesem Abend konnten die Besucher vor allem syrische Gerichte, Musik und Tanz in vollen Zügen genießen und sich zum Auftakt der Interkulturellen Wochen von einem besonderen Land, in dem ein so grausamer Krieg geführt wird, mitreißen lassen. +++