HANAU

Weihnachten in der Wohnungslosenhilfe: Zwischen Ehrenamt und Obdachlosigkeit

Einrichtungsleiter Rainer Broßmann war zuvor selbst in der Beratungsstelle tätig.


Montag, 23.12.2019
von Joana Gibbe

HANAU - Das Fest der Liebe und Besinnlichkeit steht vor der Tür. Ob im kleinen Rahmen oder groß mit der ganzen Familie, an Weihnachten kommen die Menschen zusammen und feiern. Doch nicht jeder kann sich auf leckeres Essen und schöne Geschenke freuen: Hunderte Menschen im Main-Kinzig-Kreis sind obdach- oder wohnungslos. Damit auch diese Menschen einen Rückzugsort haben und Hilfe bekommen, öffnet das Franziskus-Haus in Hanau an 365 Tagen im Jahr seine Türen – auch an Weihnachten.

Gerade um diese Jahreszeit wird es „dramatischer“, findet Einrichtungsleiter Rainer Broßmann. Denn nicht nur im eigenen Alltag wird es hektischer, auch im Franziskus-Haus wird es „unruhiger, stressiger und emotionaler je weiter es auf Weihnachten zugeht“. Für die zahlreichen Mitarbeiter und ehrenamtlichen Helfer sei dies „oft sehr belastend“ und man müsse lernen „die Arbeit auf der Arbeit zu lassen“. Dennoch lässt es sich die Wohnungslosenhilfe nicht nehmen, seinen Klienten und Gästen ein schönes Weihnachtsfest zu ermöglichen. Heilig Abend ist „ein besonderer Abend, das leben wir hier auch“, erklärt Broßmann. Zwar verfolge man „keinen Missionierungsauftrag im christlichen Sinne“, es gehe lediglich darum „Ruhe aufkommen zu lassen“. Mit besonderem Essen und geselligen Beisammensein, soll die „emotionale und sensible Zeit“ auch für die Gäste der Einrichtung in schöner Erinnerung bleiben.

In der Tagesstätte wird Weihnachten gefeiert.
In der Tagesstätte wird Weihnachten gefeiert.
Um zur Selbstständigkeit zu erziehen, können sich die Bewohner selbst versorgen.
Um zur Selbstständigkeit zu erziehen, können sich die Bewohner selbst versorgen.

Etwa 50 bis 70 Personen erwartet das Haus am Heiligen Abend. Zwei Sozialarbeiter, Sozialhelfer und auch Ehrenamtliche brechen oftmals ihre eigene Tradition, um den Klienten ein schönes Weihnachtsfest zu ermöglichen. „Eine besondere Weihnacht und ein ganz besonderer Dienst“, sei dies, betont Einrichtungsleiter Broßmann und spricht aus Erfahrung.

Die ökumenische Wohnungslosenhilfe ist eine Einrichtung des Caritas-Verbandes und der Diakonie und stellt obdach- und wohnungslosen Menschen verschiedene Fachdienste zur Seite. Angefangen bei der Straßensozialarbeit, die sich über den gesamten Kreis erstreckt und versucht „Verschlimmerung zu verhindern und die Menschen hierher zu bringen“, erklärt Broßmann, bis zum Übergangswohnheim und betreuten Wohnen bietet das Franziskus-Haus Hilfe auf allen Ebenen. Auch eine Postadresse, die rund 100 Menschen in Anspruch nehmen, die Tagessatzauszahlung von 14,13 Euro des Sozialamtes und eine Kleiderkammer befinden sich im Haus, welches „zwischen Industrie- und Wohnhäusern“ steht. 

Auch in der Tagesstätte besteht die Möglichkeit, Wäsche zu waschen und duschen zu gehen.
Auch in der Tagesstätte besteht die Möglichkeit, Wäsche zu waschen und duschen zu gehen.

Als „Drehscheibe der Einrichtung“ bezeichnet Broßmann die Tagesstätte im Erdgeschoss. An diesem Dreh- und Angelpunkt bietet das Franziskus-Haus weitere hilfreiche Angebote, wie einem Gepäckdepot und einer Grundversorgung, mit der Möglichkeit Wäsche zu waschen und zu duschen. Wichtig ist für die Klientel auch die Möglichkeit, zu rauchen und auch Alkohol zu verzehren. Um die Menschen nicht wieder auf die Straße schicken zu müssen, „akzeptieren wir sozusagen die Sucht der Personen“, erklärt der Einrichtungsleiter. In der Tagesstätte und auch in den meisten Räumlichkeiten des Hauses ist Rauchen und auch der Verzehr von „normalem Alkohol, also Bier und Wein“, gestattet.

Das Franziskus-Haus bietet nicht nur Unterschlupf am Tag, sondern auch die Möglichkeit zu bleiben. Von der Herberge mit der Möglichkeit der Kurzzeitübernachtung, bis zum Übergangswohnheim und sogar betreuten Wohnen erstreckt sich das Angebot der Wohnungslosenhilfe. Bei Frost steht auch eine Notschlafstelle bereit. Alles stets mit dem Ziel der „Hilfe zur Selbsthilfe“, erklärt Broßmann, der vorher selbst in der Beratungsstelle tätig war. Wichtig sei es nämlich, die Klienten zur „Selbstständigkeit zu erziehen“. Auch wenn Broßmann Obdach- und Wohnungslose als wahre „Organisationstalente“ bezeichnet, „müssen wir den Standard vorgeben, in Bezug auf Sauberkeit und Verhalten“, führt er fort. +++

Bei Frost steht auch eine Notschlafstelle bereit.
Bei Frost steht auch eine Notschlafstelle bereit.
In der Kleiderkammer im Keller des Hauses können sich Bedürftige an zwei Tagen in der Woche jede Menge Kleidung, Decken und weiteres kaufen.
In der Kleiderkammer im Keller des Hauses können sich Bedürftige an zwei Tagen in der Woche jede Menge Kleidung, Decken und weiteres kaufen.