Weiperz hat mehr Menschen auf dem Friedhof als im Dorf

Dienstag, 17.05.2022
von WALTER DÖRR
SINNTAL - Wenn es so etwas wie ein Ranking für den schönsten Friedhof gibt, dann ist der in Weiperz ganz oben gelistet. Zumindest ist das die einhellige Meinung der Bürger des weithin als Musikdorf bekannten Sinntaler Ortsteils. Und jetzt gibt es noch etwas Besonderes: ein Friedhofsbuch, in dem alle Bestatteten dokumentiert sind – nicht nur die „Aktuellen“, sondern alle seit 1907.
In 1907 richtete nämlich die damals noch selbständige Gemeinde Weiperz ihren eigenen Friedhof ein, eingeweiht von Pfarrer Winter und Kaplan Führ. Als erste Verstorbene fand dort Helena Müller ihre letzte Ruhe. Wann die 1880 Geborene gestorben ist, konnte für das Friedhofsbuch nicht eruiert werden. Insgesamt fünf Beerdigungen waren in 1907 und das erste nachgewiesene Sterbedatum am 11. März von Bernadine Jobst. Wie Helmut Kraft in der von ihm im Auftrag des Ortsbeirates anlässlich des 1100-jährigen Dorfjubiläums verfassten Chronik schreibt, wurden bis 1603 die Weiperzer Toten in Sterbfritz begraben.
Weiperz hat 580 Einwohner - und 694 Tote
In der Ortsbeiratssitzung vom 10. Juni 2008 regte der damalige Ortsvorsteher Otto Kraft ein Friedhofsregister an. Darin sollten alle aufgeführt werden, die einmal auf dem Weiperzer Friedhof ihre letzte Ruhe fanden, damit sie nicht vergessen werden. Eine Sisyphus-Arbeit, der sich der Ortsvorsteher und sein Ortsbeiratsschriftführer Albert Mack annahmen. Es mussten unzählige Eintragungen in Kirchenbüchern gesichtet (und teilweise die altdeutschen Handschriften entziffert) werden. Man nutzte Aufzeichnungen des Standesamts, Jubiläums-Publikationen, Angaben auf Kreuzen und Grabsteinen oder hakte auch in persönlichen Gesprächen nach. Und so kam es, dass das Belegungsbuch nicht bis zur Kommunalwahl 2011 fertig wurde, bei der der damals 74-jährige Otto Kraft nach 22 Jahren nicht mehr kandidierte und auch Albert Mack nach 38 Jahren Protokollführung ohne Mandat im Ortsbeirat aufhörte.
Die neue Ortsvorsteherin Margot Klement, seit 1997 schon stellvertretende Ortsvorsteherin, und das neugewählte Gremium verfolgten das Projekt jedoch weiter. Ortsbeiratsmitglied Ulrich Juling erfasste die Daten edv-mäßig. So entstand eine Dokumentation mit zurzeit 694 Eintragungen. Wenn man bedenkt, dass Weiperz nur 580 Einwohner hat, wurden seit 1907 mehr Bürger auf dem Friedhof beerdigt als das Dorf jetzt Einwohner hat. In einem DIN A4-Ringordner mit laminierten Jahresseiten sind die Nachnamen und Vornamen, Geburtsdaten, der Sterbetag (wenn bekannt), der alte Hausname und die alte Haus-Nummer vermerkt, sowie die aktuelle Straßenbezeichnung mit Haus-Nummer ist oder wäre (abgerissene Gebäude).
Die meisten Toten heißen Maria
Das Weiperzer Friedhofbelegungsbuch stellt eine einzigartige Dokumentation dar. Statistisch ausgewertet fällt auf, dass 115 Tote mit dem Namen „Gärtner“ vertreten sind, 80 mit „Müller“, 78 mit „Klug“, 75 mit „Kraft“, 28 mit „Gerst“, je 26 mit „Herber“ und „Wald“, 22 mit „Kress“ und 19 Herberts. Bei den meisten Vornamen sind 55 Marias, 39 Josefs, 37 Annas, 24 Augusts, 22 Wilhelms und 19 Elisabeths. Die alten Hausnamen, die in Weiperz auch nach dem großartigen Dorfjubiläum „1100 Jahre Weiperz“ gepflegt werden (Hausnamensschilder), helfen einem Kenner bei der Zuordnung eines Toten.
Das Friedhof-Belegungsbuch, das jährlich aktualisiert wird, findet seinen Platz in einem noch anzufertigenden Kasten an einer Wand der Leichenhalle und wird jedermann zugänglich sein.