Der Stadtpfarrer bei KN

Impuls von Stefan Buß: "In Staub geschrieben"

Ich bin Stadtpfarrer Stefan Buß aus Fulda. - Foto: KN/Hendrik Urbin


Samstag, 21.06.2025
von STEFAN BUß

FULDA / MKK - Es ist eine biblische Szene, die uns tief berühren kann – vielleicht weil sie so menschlich ist. Eine Frau wird beim Ehebruch ertappt, sie wird bloßgestellt, vor Jesus gezerrt. Und mitten im Getümmel, zwischen Anklage und Erwartung eines Urteils, geschieht etwas Merkwürdiges:

Jesus bückt sich – und schreibt in den Staub. Das lesen wir im Johannesevangelium (Jo. 8,1-11).

Jesus schrieb in der Geschichte in den Sand (Jo 8, 6b u. 8). Nicht einmal, sondern zweimal. Was schreibt er da? Das hat alle Zeiten die Bibelwissenschaftler schon interessiert. Die Evangelisten sagen es uns nicht. Vielleicht, weil es gar nicht darauf ankommt, was geschrieben wird – sondern wohin: in den Staub der Erde.

Denn das Gesetz, auf das sich die Schriftgelehrten berufen, war einst in Stein gemeißelt – ein Sinnbild für seine Unverrückbarkeit, für seine ewige Gültigkeit. Aber Jesus schreibt nicht in Stein. Er schreibt in Staub – etwas, das vom Wind verweht werden kann, etwas Vergängliches, etwas, das sich ändern lässt.

Ist das nicht eine revolutionäre Geste?

Jesus zeigt: Das Gesetz ist nicht dazu da, um zu töten oder bloßzustellen. Es ist dazu da, Leben zu ermöglichen. Und es muss in jedem Moment neu durchbuchstabiert werden – nicht im Geist der Härte, sondern im Geist der Barmherzigkeit. Jesus sagt nicht: "Das Gesetz gilt nicht." Aber er fragt: "Wem dient es? Wem gibt es Leben – und wem nimmt es Leben?"

Und dann, nach seinem zweiten Schreiben in den Staub, sagt er den berühmten Satz: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“

Keiner kann ihn werfen. Einer nach dem anderen geht. Und am Ende steht sie da – die Frau, die man steinigen wollte. Und Jesus?

Er richtet sie nicht. „Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr.“ Wir leben heute in einer Zeit, in der Urteile schnell gefällt sind – in Medien, in sozialen Netzwerken, manchmal auch in unseren Herzen. Aber Jesus lädt uns ein, unsere Urteile zu überdenken.

Er zeigt uns: Das Recht darf nicht ohne Gnade sein. Und das Gesetz darf nie gegen den Menschen gewendet werden.

Wenn Jesus in den Staub schreibt, dann erinnert er uns an etwas ganz Fundamentales: Auch wir sind aus Staub gemacht. Zerbrechlich. Fehlbar. Aber von Gott geliebt. Vielleicht ist das die größte Botschaft dieser Erzählung: Gottes Gnade und Barmherzigkeit ist größer als unsere Schuld.

Und sein Gesetz – so heilig es ist – ist immer auch im Staub geschrieben, offen für Veränderung, offen für Barmherzigkeit, offen für den Menschen.

Foto: Stefan Buß
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